Waltraud Dinkermann
Ein Praxisbericht aus der Wohntrainingsgruppe/Übergangswohnung
- Vorbemerkungen
- Klientenstruktur in der Übergangswohnung/Wohntrainingsgruppe
- Kontaktaufnahme und Erstgespräch
- Alter und Geschlecht der Bewohner
- Lebenssituation vor Einzug in die WTG
- Gründe für den Einzug
- Arten der Beeinträchtigungen
- Aufenthaltsdauer der BewohnerInnen
- Elternhaus und Familienstruktur/Freunde
und Bekannte
- Berufliche Situation der BewohnerInnen
- Finanzielle Situation der BewohnerInnen
- Wohnsituation nach Auszug
- Kontakte/Hilfestellungen nach Auszug
aus der WTG
- Hilfsangebote
- Sozialarbeiterisches und
betreuungspflegerisches Angebot
- Freizeitangebot
- Organisationsformen der WTG
- Kostenträger
- Betriebswirtschaftliche Situation
- Personelle Ausstattung
- Praktika
- Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen
- Beurteilung und Ausblick
- Literatur
- Abkürzungen
1. Vorbemerkungen
Das Projekt ,,Übergangswohnung/Wohntrainingsgruppe" - im folgenden kurz WTG
genannt - ist Bestandteil des ,,Edward-Clement-Hauses", einem Zentrum für
behindertenintegrative Sozial- und Jugendarbeit. Der Träger des Hauses ist der
Bund Deutscher Pfadfinder -Projektbereich Behindertenarbeit e.V(., der
1983 von behinderten und nicht behinderten Personen gegründet wurde. Mit der
Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 wurden neue und andere Anforderungen
an den BDP gestellt. Der Verein trug diesen geänderten Bedingungen Rechnung,
indem er die Bund Deutscher Pfadfinder - Soziale Dienste gGmbH als gemeinnützige
Gesellschaft gründete. Seit Oktober 1997 ist die BDP-Soziale Dienste gGmbH,
die ebenfalls Mitglied im Paritätischen ist, Träger der WTG. Im Rahmen unserer
langjährigen Tätigkeit erreichte uns immer wieder der Wunsch junger, behinderter
Menschen, im eigenen Haushalt leben zu wollen. Diesem Bedürfnis wurde durch
das Angebot der WTG Rechnung getragen. Jugendliche und junge Erwachsene, die
seit der Geburt oder von Kindheit an behindert sind, unterstützt der BDP beim
Ablösungsprozess aus einer oftmaligen Überbetreuung im Elternhaus oder einer
institutionellen Unterbringung. Menschen, die nach Unfall oder Krankheit beeinträchtigt
sind, haben die Möglichkeit übergangsweise in der WTG zu wohnen, bis eine adäquate
Wohnung bezogen werden kann oder eine andere Wohnform gefunden wird. Zielsetzung
ist, diese jungen Menschen - soweit wie möglich - zu befähigen, eigenverantwortlich
und selbständig zu leben und zu handeln und den Verlauf des Alltags selbst zu
bestimmen.
2. Klientenstruktur in der Übergangswohnung/Wohntrainingsgruppe
Die Auswertung bezieht sich auf den Zeitraum
vom 01.01.1993 (Beginn der Arbeit) bis zum 31.12.1997. Innerhalb dieses Zeitraums
wohnen/ wohnten insgesamt 36 Personen in der WTG. Zum Stichtag 31.12.97 wohnen
sieben Personen in der WTG.
2.1 Die Kontaktaufnahme erfolgte durch Häufigkeit
- Eltern, Pflegeeltern, Großeltern 10
- Beratungsstellen,
BerufsbetreuerInnen 7
- Krankenhäuser, Reha-Kliniken
6
- Ämter 5
- Helme, Kurzzeitpflegeeinrichtungen
3
- Schulen, Berufsbildungswerke
3
- die Betroffenen selbst
2
Die Erst- bzw. Vorstellungsgespräche haben 26 Personen in Begleitung von Sozialarbeiterinnen,
Berufsbetreuerinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen und TherapeutInnen wahrgenommen;
acht Personen haben die WTG erstmalig mit Angehörigen aufgesucht und zwei Personen
kamen allein zum Vorstellungsgespräch.
Die Zahlen aus der Tabelle geben einen ersten
Eindruck davon, wie eingeschränkt das Vermögen vieler behinderter Menschen
ist, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu benennen und umzusetzen. Die Mehrzahl
der Personen, die die Leistung der WTG in Anspruch nahm, hatte den Wunsch nach
einer eigenständigen Lebensführung. Die Realisierung derartiger Wünsche findet
i.d.R. aber nur dann statt, wenn Vertrauens- oder Bezugspersonen unterstützend
zur Seite bzw. den Wünschen aufgeschlossen gegenüber stehen. Oftmals
wird Personen, die seit Geburt/Kindheit behindert sind, keine selbständige Lebensführung
zugetraut. Die Erziehungsinstanzen, Elternhaus und Sondereinrichtungen (Sonderkindergärten,
Sonderschulen und Werkstätten für Behinderte) sowie Heimaufenthalte dienen
meist nicht der Förderung der eigenen Möglichkeiten, sondern bewirken nicht
selten das Gegenteil: eine
Verhinderung der individuellen Entwicklung. Die Herausbildung von Selbständigkeit
und Selbstbestimmung als Grundlage für ein - soweit wie möglich - unabhängiges
Leben wird oftmals erschwert oder stark eingeschränkt. Es ist daher verständlich,
dass ein Leben in der eigenen Wohnung direkt nach dem Auszug aus dem Elternhaus
oder Heim als Überforderung und damit als nicht realisierbar empfunden wird.
2.2
Alter und Geschlecht der BewohnerInnen
In der WTG wohnen/wohnten 36 Personen, wobei der Anteil an männlichen Bewohnern
(21 Männer) leicht überwiegt. Auffällig an der Altersstruktur der BewohnerInnen
ist, dass der Anteil der 18-27ährigen überwiegt. Dies hängt nicht zuletzt mit
der Zielsetzung der WTG vor allem jüngere Menschen anzusprechen, zusammen. D
ie
WTG wurde von Personen aus sehr unter schiedlichen Lebens-
und Wohnsituationen bezogen. Die
Hälfte der BewohnerInnen bezog die WTG direkt vom Elternhaus aus, wobei
vier Personen aus unhaltbaren familiären Verhältnissen kamen und die Einrichtung
mit Hilfe von SozialarbeiterInnen und LehrerInnen bezogen. Von den vier Personen mit eigener Wohnung lebten
zwei in Wohnungen, die sich in katastrophalen Zuständen befanden.
Eine davon umfasste insgesamt 12 m2 inkl. Waschbecken. Die Toilette
befand sich auf dem Flur und konnte vom Mieter, der auf einen Rollstuhl angewiesen
war, nicht benutzt werden. Die andere war durch einen Wasserrohrbruch derart
beschädigt worden, dass sie nicht mehr bewohnbar war. Auch hier lag die Toilette
auf dem Flur und war nur eingeschränkt nutzbar. Beide Wohnungen waren nur über
Treppen erreichbar. Ohne Fremdhilfe konnten beide Rollstuhlfahrer ihre Wohnungen
weder betreten noch verlassen und verbrachten die meiste Zeit dort. Die dritte Person mit eigener Wohnung kam nach
einem Unfall mit ihrer veränderten Lebenssituation, jetzt alles vom Rollstuhl
aus organisieren" zu müssen, nicht zurecht. Die vierte Person wohnte gemeinsam
mit Ehefrau und Kind. Hier war die Trennung der Eheleute Grund für den Auszug.
Eine Person, die aus der Reha-Klinik kam, wartete
auf den behindertengerechten Umbau der bereits vorhandenen Wohnung. Vier Personen
zogen aus Heimen in die WTG. Zu ,,sonstige" zählen Personen, die aus einer
psychiatrischen und Obdachloseneinrichtung kamen. Von den insgesamt 36 Personen
waren acht zum Zeitpunkt des Einzugs unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht
und weitere vier in akuten familiären Notlagen. 29 der WTG-BewohnerInnen sind/waren Einwohnerrinnen
der Stadt Dortmund. Von den sieben Personen aus anderen Städten benötigten
vier behindertengerechten Wohnraum, der nicht zur Verfügung stand. Die Wohn- und Lebenssituation zeigt, dass die
Aufnahme einerseits auf dem Wunsch nach einer veränderten Wohn- und Lebenssituation
beruht, auf der anderen Seite notwendig gewordene Veränderungen der bisherigen
Lebenssituationen eine Aufnahme erforderlich machten.
Beim
Erstgespräch wurden folgende Gründe genannt
(Mehrfachnennungen
waren möglich)
- Erlernen von Selbständigkeit
24
- Erfahrungen sammeln im Umgang mit Pflegekräften
13
- verlassen der bisherigen Wohn-/Lebensform aus Notlagen 12
- Wunsch nach einer eigenen Wohnung
12
- (Wieder-) Erlernen der Alltagsstruktur
11
- Fehlen von behindertengerechtem Wohnraum 8
- physische und psychische Stabilisierung
8
- Entwicklung konkreter Zukunftsperspektiven
6
- Soziale Integration
2
- Warten auf den Umbau der vorhandenen Wohnung
2
Während des Erstgesprächs können die BewohnerInnen
selten konkret benennen, in welchen Bereichen sie etwas lernen oder trainieren
möchten. Vielen wird erst im Laute des Aufenthalts bewusst, für welche Verrichtungen
sie Hilfestellung benötigen und was selbständig bewältigt werden kann.
Bei den Personen, die von Geburt/Kindheit an
beeinträchtigt sind und direkt vom Elternhaus die WTG beziehen, lässt sich dieses
Verhalten auf das Durchleben eines Prozesses zurückführen, in dessen Mittelpunkt
das Kennen lernen, Umsetzen und schließlich Einfordern der eigenen Bedürfnisse
steht, die durch Bevormundung und Fremdbestimmung in vielen Lebensbereichen
bisher nicht erlebt und erfahren werden konnten. Massive Schuldgefühle, die
sich aufgrund der starken Abhängigkeiten der Betroffenen vom Elternhaus infolge
der Pflege und Versorgung, die die Eltern über viele Jahre hinweg leisteten,
entwickelt haben, begleiten sehr häufig den Ablösungsprozess von der Familie,
verbunden mit der Frage: ,,Habe ich überhaupt ein Recht darauf, mich zu verabschieden,
obwohl meine Eltern so viel für mich getan haben". Während die jungen behinderten
Menschen häufig zwischen Schuldgefühlen und Erleichterung bzw. Bevormundung
und Emanzipation schwanken, ist es für die Eltern manchmal schwerer, die Lücke
zu schließen, die der Auszug des ,,Kindes" in ihrer Alltagsstruktur hinterlässt,
(vgl dazu Marianne Pieper; Seit Geburt körperbehindert..., 5288 ff1
In diesem Zusammenhang erleichtert die WTG für
manche Eltern den Ablösungsprozess von ihren ,,Kindern", da in der WTG
eine gewisse ,,soziale Kontrolle" (Besuche, Rücksprache mit Betreuungskräften,
Sozialarbeiterin etc.) Vorhanden ist, die in der eigenen Wohnung des ,,Kindes"
fehlen würde. Anders verhält es sich bei Menschen1 die
durch Unfall oder Krankheit beeinträchtigt sind. Sie verbringen oftmals viele
Monate in Krankenhäusern und Reha-Kliniken; hier stehen Ärzte und Fachpflegekräfte
zur Verfügung1 eine ,,rund-um-dieUhr"-Versorgung und -Pflege
ist gewährleistet. Nach der Entlassung haben die Betroffenen häufig große Probleme
mit der völlig veränderten Lebenssituation, zumal sie letzt wieder für ihren
Alltag verantwortlich sind und viele Dinge, die ihnen in der Klinik abgenommen
wurden, selbständig organisieren müssen.
Arten
der Beeinträchtigungen
Entsprechend
der Konzeption der WTG zählen zur Zielgruppe,,... grundsätzlich... alle körperbehinderten
Erwachsenen...Der Aufenthalt in der WTG ist nicht an bestimmte Formen der Körperbehinderung
gebunden" (vgl. Konzeption der Übergangswohnung/wohntrainingsgruppe1
Stand Dezember 1992, S.1O). Zu
,,Sonstige" zählen Krankheiten/Behinderungen, die einmal genannt wurden,
und zwar Multiple Sklerose, Dysmehe, Karzinom, Systemischer Lupus Erythematodes,
Hirnorganisches Psychosyndrom und hypoxische Encephalopathie. Zusätzliche
Beeinträchtigungen sind z.b. psych. Erkrankung, geistige oder Lernbehinderung,
hydrozephale Beeinträchtigung, Apoplexie, Aphasie, Diabetes, Hörschädigung oder
Alkoholabhängigkeit. Wie aus diesem Diagramm ersichtlich wird, hat sich die
Zielgruppe, wie in der Konzeption von 1992 beschrieben, erweitert. Heute werden
Menschen nicht nur mit körperlichen, sondern auch mit geistigen und/oder psychischen
Beeinträchtigungen aufgenommen. Für die Mehrzahl der BewohnerInnen
- unabhängig von der Beeinträchtigung und der Einstufung in eine Pflegestufe
- steht das Erlernen einer eigenständigen Lebensführung im Vordergrund, um soweit
wie möglich von Hilfen unabhängig zu werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass
die gewünschte Verselbständigung nicht an einer speziellen Beeinträchtigung,
dem Grad der Behinderung und/oder Mehrfachbehinderungen scheitern muss. Unterscheidungen
ergeben sich allerdings durch den Zeitpunkt, zu dem die Behinderung aufgetreten
ist. Nicht weiter
von Bedeutung, aber auffallend ist, dass bei den Erwachsenen der Anteil der
Behinderten mit zusätzlichen Beeinträchtigungen prozentual höher liegt, als
bei den von Geburt/Kindheit an Behinderten.
Aufenthaltsdauer der BewohnerInnen
Die Daten der 29 Personen, die bisher aus der
WTG ausgezogen sind, ergeben folgendes Bild: Die Aufenthaltsdauer bezogen auf den Einzelfall
variiert von zwei bis 28 Monate. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Personen
mit einer Funktionsbeeinträchtigung/ Krankheit ist verglichen mit denen, die
zusätzliche Behinderungen aufweisen, nahezu identisch, d.h., dass die Hilfsangebote
der WTG etwa ein Jahr in Anspruch genommen werden - unabhängig von der Behinderungsart
und/oder Mehrfachbehinderung. Je nachdem, in welchem Alter/Entwicklungsstadium
die Behinderung aufgetreten ist, gestaltet sich - hinsichtlich der in einigen
Fällen bereits selbständig gelebten Zeiträume - das Streben eben danach unterschiedlich
stark aus. Die Menschen, die seit Geburt/Kindheit behindert
sind, wohnten im Schnitt ca. ein halbes Jahr länger in der WTG als diejenigen,
die erst später durch Krankheit oder Unfall beeinträchtigt wurden. Auffällig
ist, dass zwei Personen, die durch Unfall bedingt hochgradige Querschnittslähmungen
erlitten und aufgrund der Tetraelegie bei fast allen anfallenden Verrichtungen
auf Hilfestellung angewiesen sind, 16 bzw. 28 Monate in der WTG verbrachten,
bevor eigene Wohnungen bezogen wurden.
Dieser Umstand hängt stark von der individuellen
Problematik der Betroffenen ab und kann nicht verallgemeinert werden. Die Verarbeitung
und Bewältigung einer derart veränderten Lebenssituation ist ein langwieriger
Prozess, der vieler Hilfsangebote und Unterstützung bedarf. Die vier Personen aus unhaltbaren familiären
Verhältnissen blieben durchschnittlich 19,25 Monate in der WTG. Aufgrund ihrer
besonderen Problematik waren zeitintensive und langfristige Hilfsangebote zur
psychischen Stabilisierung vonnöten. Drei der Personen waren bei Aufnahme 18 bzw.
19 Jahre alt. Eigeninitiativen oder persönliche Interessen wurden in allen
vier Elternhäusern für unwichtig beziehungsweise unbequem erachtet und unterbunden.
Diese konfliktbeladenen Beziehungen führten auf Seiten der Betroffenen zu großer
Unsicherheit und Selbstzweifel infolge fremdbestimmten Handelns. Solche
Situationen verhindern die innere Ablösung von den Eltern in einer dem Alter
angemessenen Art. Alle vier Personen wiesen bei der Aufnahme deutliche
Entwicklungsdefizite gegenüber ihrer Altersgruppe auf. Aufgrund dieser nicht
altersentsprechenden psychosozialen Entwicklung waren sie in vielen Verrichtungen
des täglichen Lebens und bei der Bewältigung alltäglicher Auf gaben und Probleme
überfordert und auf umfassende Hilfestellung und Unterstützung angewiesen. Die
lebenspraktischen und individuellen Hilfsangebote über einen längeren Zeitraum
hinweg, ermöglichten ihnen Entwicklungsverzögerungen aufzuholen, Defizite auszugleichen,
(bessere) Bewältigungsstrategien zu entwickeln und Handlungskompetenzen zu erwerben,
die für ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben notwendig sind.
Diese Erfahrungen lassen sich zum Teil auch
auf jene Klienten übertragen, die ebenfalls seit Geburt/Kindheit beeinträchtigt
sind, die WTG aber aus einem intakten" Elternhaus kommend bezogen haben.
Auch sie wohnten länger in der WTG als die durch Unfall/Krankheit bedingt Behinderten.
In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert,
dass von den 24 BewohnerInnen der WTG, die seit Geburt/Kindheit behindert sind,
23 in Sondereinrichtungen gelernt und gelebt haben. Der Besuch von Sonderkindergärten, Sonderschulen,
Werkstätten für Behinderte etc. führt oftmals dazu, dass soziale Kontakte auf
Elternhaus und andere behinderte Menschen begrenzt sind. Die Aussonderung aus
den regulären ,,normalen" Lebens- und Lernzusammenhängen führt zu nicht
unerheblichen sozialen und beruflichen Defiziten, die im Erwachsenenalter kaum
aufzuholen sind. Für diese Personengruppe ist ein längerer Aufenthalt
in der WTG notwendig, da sie intensive Hilfsangebote in Form von Gesprächen,
Begleitung, Anleitung, Unterstützung und auch Zuwendung benötigen, um mit mehr
Sicherheit, Selbständigkeit und Selbstvertrauen die eigene Wohnung beziehen
zu können. Die Gruppe der infolge von Unfall oder Krankheit
behinderten Menschen beziehen die WTG i.d.R. übergangsweise, bis eine behindertengerechte
bzw. -freundliche Wohnung bezogen werden kann oder die bereits vorhandene umgebaut
ist. Sie lernen im Laufe ihres Aufenthaltes besser mit dem Alltag, der nun unter
anderen Vorzeichen stattfindet, zurechtzukommen. Der Umgang mit Pflegekräften ist eine neue und
fremde Erfahrung. Die exakte Beschreibung der Aufgaben, die an die Betreuungskräfte
herangetragen werden, muss erlernt werden und ist für viele behinderte Menschen
anfangs schwierig und zeitaufwendig. Verrichtungen, die vor der Behinderung
allein ausgeübt wurden, müssen jetzt den Pflegekräften konkret benannt werden.
Für Menschen, die aus Reha-Kliniken kommen, ist die Alltagsbewältigung in dieser
Form besonders mühevoll. Darüber hinaus ist viel Zuwendung und Ansprache erforderlich,
da die ,,Akzeptanz des eigenen Schicksals" lange noch nicht abgeschlossen
ist bzw. noch nicht einmal begonnen hat. Setzt man die Aufenthaltsdauer in Beziehung
zum Alter der BewohnerInnen, fällt auf, dass jüngere BewohnerInnen deutlich
länger in der WTG wohnen als ältere. Dies ist dadurch zu erklären, dass der
Grad der Verselbständigung bzw. die Schnelligkeit diese zu erlangen, bei älteren
Behinderten größer ist/war als bei jüngeren. Bezogen auf die Aufenthaltsdauer ist weiterhin
auffällig, dass die vier auf dem ersten Arbeitsmarkt berufstätigen Personen,
die mittlerweile ausgezogen sind, im Durchschnitt 18 Monate in der WTG lebten.
Es handelt sich bei ihnen um Rollstuhlfahrerinnen, die seit Geburt/Kindheit
behindert sind und direkt vom Elternhaus eingezogen waren. Neben den bereits
genannten Gründen lässt sich hier eine höhere Verweildauer auf den Umstand zurückführen,
dass Berufstätige durch Arbeit stark gefordert werden und ihnen definitiv weniger
Zeit zum Erlernen alltäglicher Dinge (Alltagsstrukturierung, Organisation einer
Haushaltsführung etc.) zur Verfügung steht. Für sie ist es wichtig, den Alltag
so zu strukturieren, dass die alltäglichen Verrichtungen ohne Zeitdruck durchgeführt
werden. Dazu gehört auch, dass sie lernen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse
sachlich und präzise den Betreuungskräften gegenüber zu äußern.
Abweichend von der Konzeption 1992, in der die
Aufenthaltsdauer der BewohnerInnen im Regelfall ein halbes Jahr betragen soll
(vgl. ebd. Seite 10), hat sich in der praktischen Arbeit gezeigt, dass die durchschnittliche
Wohndauer 12,5 Monate beträgt. Zeitliches Eintreten der Behinderung, Alter Berufstätigkeit,
Lebenssituation vor Aufnahme etc. sind wichtige Einflussgrößen für eine längere
Aufenthaltsdauer. Fünf Jahre Erfahrung haben gezeigt, dass ein
halbes Jahr für die Mehrzahl der BewohnerInnen nicht ausreicht, um ein selbständiges
Leben in der eigenen Wohnung in Angriff zu nehmen. Die durchschnittliche Dauer
für grundlegende Entwicklungen, Veränderungen und 5tabilisierung des Erlernten
beträgt ca. 1 bis 11/2 Jahre. Wünschenswert wäre es, wenn die BewohnerInnen
- ohne Zeitdruck - den Auszugstermin selber festlegen könnten. 23 der bislang 36 BewohnerInnen der WTG gehören
zu der Altersgruppe der 18-27 jährigen. In dieser Zeit findet in aller Regel
die räumliche Loslösung vom Elternhaus statt. Die BewohnerInnen, die direkt vom Elternhaus
in die WTG gezogen sind, fühlten sich nicht in der Lage, diesen Abnabelungsprozess
ohne professionelle Unterstützung zu durchlaufen. Diejenigen, die WTG aufgrund akuter Notlagen
bezogen, hatten i.d.R. keinen Kontakt zum Elternhaus oder im Einzelfall ein
sehr konfliktbeladenes und angespanntes Verhältnis zu den Eltern, so dass mit
unterstützender Hilfe von Seiten der Familienangehörigen nicht gerechnet werden
konnte. Lediglich sieben von 36 Personen stammen aus einem
intakten Elternhaus. Sie sind seit der Geburt/Kindheit beeinträchtigt und direkt
vom Elternhaus in die WIG gezogen. Die Mehrzahl der BewohnerInnen stammt aus
diskfunktionalen Elternhäusern. Abb6
Die von Geburt/Kindheit an beeinträchtigten
Menschen erlernen im Laufe ihres Aufenthaltes in der WTG ein besseres, und ihrem
Alter angemessenes Verhältnis zum Elternhaus aufzubauen und sich aus den oft
sehr stark belastenden Abhängigkeiten und Bevormundungen - und daraus resultierenden
Schuldgefühlen - zu lösen. Sie entwickeln mehr Unabhängigkeit und Selbständigkeit
bei der Bewältigung alltäglicher Probleme und Aufgaben.
Neun BewohnerInnen hatten gute und tragbare
Freundschaftsbeziehungen mit mindestens einem/einer verlässlichen Freund/Freundin.
Einen zufriedenstellenden Elternkontakt und
intakte freundschaftliche Beziehungen waren bei lediglich fünf BewohnerInnen
zu beobachten. Abb. 7 Die Mehrzahl der behinderten Menschen lebt vor
während und nach ihrem Aufenthalt in der WIG stark isoliert. Menschen, die durch
Unfall oder Krankheit behindert werden, müssen oft erfahren, dass sich langjährige
Partner von ihnen trennen und private Kontakte abgebrochen werden. Teilweise
erreichen Kontakte, die innerhalb des Hauses geknüpft werden, eine Stabilität,
die den Aufenthalt in der WTG überdauern und sich zu tragfähigen Freundschaften
entwickeln. Andere knüpfen Kontakte zu Arbeitskollegen und/oder versuchen Menschen
durch Freizeitaktivitäten kennen zu lernen. Viele hegen den Wunsch Freundschaften
und Partnerschaften zu nichtbehinderten Menschen zu knüpfen. Der
Besuch von ,,Sondereinrichtungen" für Behinderte, wie Schulen mit großem
Einzugsgebiet, Werkstätten für Behinderte etc. Erschwert die Integration von
behinderten Menschen in unserer Gesellschaft. Damit wird z.b. die Aufnahme von
Kontakten zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen für beide Seiten
zum seltenen Ereignis. Zudem schafft diese Trennung eine spezifische Kommunikations-
und Umgangskultur, die einer Verständigung und Annäherung im Wege steht.
Unsicherheiten und Vorurteile
auf Seiten der nichtbehinderten Menschen tun ihr übriges, damit kein wirklicher
Austausch und gegenseitiges kennen lernen möglich wird.
Berufstätigkeit
der Bewohner
Während des Aufenthaltes ergaben sich folgende
Veränderungen: zwei Personen wechselten von der Schule in Werkstätten
für Behinderte IWfBI eine Person wechselte von der KB-Schule in Dortmund nach
Volmarstein, drei Personen beantragten Erwerbsunfähigkeitsrente und schieden
damit aus der Erwerbstätigkeit aus, eine Person nahm ein Studium auf, eine Person
konnte in eine AB-Maßnahme vermittelt werden Die Chancen für Behinderte, auf dem ersten Arbeitsmarkt
eine Beschäftigung zu finden, sind relativ gering. Bedingt durch die insgesamt
angespannte Arbeitslage wird Arbeitslosenhilfe es für behinderte Menschen immer schwieriger,
einen Arbeitsplatz zu finden. Arbeit ist im Leben eines jeden Menschen ein
wichtiger Bestandteil. Die bedeutenden Elemente gesellschaftlicher Teilhabe
wie Einkommen, soziales Ansehen, Kontakte, Einfluss und Anerkennung werden über
berufliche Leistungen vermittelt. Die BewohnerInnen, die einer Erwerbsarbeit nachgingen,
waren i.d.R. psychisch stabiler und zufriedener als andere. Problematisch war/ist es dagegen, die Motivation
derjenigen BewohnerInnen aufrechtzuerhalten, die in Werkstätten für Behinderte
arbeiten. Neben monotonen Arbeitsabläufen und Konflikten unter den MitarbeiterInnen
beklagen sie sich über die niedrige Entlohnung. Einzig aufgrund fehlender Alternativen werden
diese Beschäftigungsverhältnisse aufrechterhalten. Behinderte Menschen erleben
hier - wie in anderen Lebensbereichen auch - eine weitere Form der Ausgrenzung.
Aufgrund der wenigen Arbeitsmöglichkeiten leben
viele BewohnerInnen über weite Strecken ohne geregelten Tagesablauf, und es
gibt keine lückenlose Tagesstrukturierung. Sie müssen lernen, ihren Alltag sinnvoll
zu gestalten. Dies ist ein zentraler Punkt unserer Arbeit. Die BewohnerInnen werden bei allen Bestrebungen,
ihren Handlungsspielraum zunehmend zu erweitern, in dem Maße unterstützt, wie
es ihren individuellen Bedürfnissen entspricht.
Finanzielle Situation der BewohnerInnen
olgende Änderungen haben stattgefunden: zwei
Sozialhilfeempfänger erhalten heute Bafög bzw. Leistungen aus einer Unfallversicherung,
ein Empfänger von hat heute sein eigenes Einkommen, zwei Empfänger von Krankengeld
erhalten letzt Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Mehrzahl der BewohnerInnen ist auf Hilfe
zum Lebensunterhalt (HzL) angewiesen. Diejenigen, die in einer WfB beschäftigt
sind, müssen ergänzende Sozialhilfe beantragen, da das monatliche Entgelt nicht
ausreicht. In 20 Fällen ist HzL und ergänzende Sozialhilfe zum Aufnahmedatum
beantragt worden. Darüber hinaus sind Anträge auf Erwerbsunfähigkeitsrente,
Kindergeld, ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, Wohngeld, Bafög etc. gestellt
worden. Alle BewohnerInnen müssen mit Einzug in die WTG für Miete und Lebensunterhalt
selbst aufkommen, es gibt keine Gemeinschaftsverpflegung. Bei fehlendem oder
lückenhaftem Hausrat, wie Geschirr, Bettwäsche etc. werden die entsprechenden
Gegenstände leihweise zur Verfügung gestellt. Die Mehrzahl der BewohnerInnen hat zum Zeitpunkt
des Einzuges erstmalig im Leben eigenes Geld zur Verfügung und einen Haushalt
zu versorgen. Sie müssen lernen mit dem Existenzminimum zurechtzukommen. Das
bedeutet, dass intensive Hilfestellungen beim Umgang mit Geld und damit verbunden
für eine funktionierende Haushaltsführung erforderlich sind. In der Praxis erhalten
die Betroffenen Unterstützung, Hilfestellung und Begleitung
- bei Einkäufen (Lebensmittel, Kleidung etc.) einschl.
Preisvergleichen
- bei der Führung von Haushaltsbüchern
- beim (preisgünstigen) Kochen
- bei der Geldeinteilung
- bei Bankgeschäften.
Trotz Einschränkungen und Einsparungen bildet
die Selbstbestimmung über die eigenen Finanzen eine Basis für Eigenständigkeit
und erhöhtes Selbstwertgefühl. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Handlungszwang,
d.h. die reale Situation, selbst für Einkäufe, Kochen, Putzen etc. zuständig
zu sein, die Lernbereitschaft und die Lernfähigkeit bestimmt und erhöht.
Wohnsituation nach Auszug
Wie bereits erwähnt sind bis heute 29 Personen aus der WTG ausgezogen.
Ihre aktuelle Wohnsituation stellt sich wie folgt dar:
Sonstige: Ein Bewohner musste
aufgrund einer Alkoholkrankheit die WTG verlassen und für einen längeren Zeitraum
im WZfPPP stationär behandelt werden, ein Bewohner musste den Aufenthalt wegen
seiner Alkoholkrankheit und da
mit verbundenen unüberwindbaren Schwierigkeiten
beenden. Nach sechs Wochen in der Übernachtungsstelle für Obdachlose, während
dessen eine weitere Betreuung von Seiten der WTG bestand1 konnte
er eine behindertengerechte Wohnung beziehen. Eine Bewohnerin ist unbekannt
verzogen. Von den 22 Personen, die bis heute eigene Wohnungen
bezogen haben, sind 15 in behindertengerecht ausgestattete Wohnungen und drei
in behindertenfreundliche Wohnungen gezogen. Vier Personen waren nicht auf eine
behindertengerechte oder -freundliche Wohnung angewiesen. Im Durchschnitt musste ca. 14 Monate auf eine
behindertengerechte Wohnung gewartet werden. Heute werden mehr behindertengerechte
Wohnungen gebaut als zuvor. Wohnungen für Einzelpersonen finden dabei wenig
Berücksichtigung. Personen, die in der WTG leben, suchen i.d.R. Wohnraum für
sich allein und müssen entsprechend Wartezeiten in Kauf nehmen. Drei Personen
haben Wohnungen in anderen Städten bezogen.
Die Tatsache, dass 22 Menschen von der WTG aus
eigene Wohnungen bezogen haben, kann als sichtbares und erfolgreiches Ergebnis
der Arbeit betrachtet werden. Entscheidend bzw. wesentlich sind aber vor allem
die Entwicklungsprozesse der BewohnerInnen, die z.B. in der Erweiterung der
Handlungskompetenzen zum Ausdruck kommen. Durch das Ausprobieren und Sammeln vieler neuer
Erfahrungen wird mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gewonnen. Die Entwicklung
eines stabilen Selbstwertgefühls ist ein wichtiger Schritt für den weiteren
Weg. Der überwiegende Teil der Jungen Menschen verlässt die WTG mit einem guten
und sicherem Gefühl und traut sich das selbständige Wohnen nicht nur zu, sondern
freut sich auf diese Veränderung.
Kontakte, Hilfestellungen nach Auszug
aus der WTG
Zu 22 der insgesamt 29 ausgezogenen Personen
bestehen Kontakte in Form von Besuchen, Gesprächen, Beratung und Teilnahme an
Freizeiten. Je länger die Menschen in den eigenen Wohnungen leben, desto geringer
werden die Besuche und Kontakte.
In den Wohnungen erhalten die
Personen Hilfestellungen in Form von:
- Ambulante Versorgung durch Pflegedienste 10 Personen
- Selbstorganisierte Pflege 8 Personen
- Gesetzl. Betreuung 1 Person
- Ambulantes betreutes Wohnen 2 Personen
- Keine Hilfe 1 Person
4. Hilfsangebote
Bei der Aufnahme wird ein umfangreiches Hilfsangebot
zur Verfügung gestellt, da in der Regel eine Vielzahl wichtiger Dinge (gleichzeitig)
zu erledigen ist. Neben der völligen Umstellung auf die neue und ungewohnte
Lebens- und Wohnsituation, dem Kennen lernen der MitarbeiterInnen und der Organisation
der WTG, steht die Klärung der finanziellen/materiellen Situation im Vordergrund.
Antragstellungen bei Sozialämtern, Pflegekassen, Versorgungsämtern, BfA, LVA
etc. sind erforderlich, da viele BewohnerInnen zum Zeitpunkt der Aufnahme mittellos
sind. Die Erfahrung hat gezeigt, dass oftmals mehrere Monate von der Antragstellung
bis zur Bewilligung vergehen. Zur Überbrückung werden Vorschüsse (zinslose Darlehen)
zur Verfügung gestellt. Für die medizinische Versorgung
werden Pflegedienste beauftragt sowie ÄrztInnen, KrankengymnastInnen, LogopädInnen
etc. in der näheren Umgebung gesucht. Oft müssen Hilfsmittel wie höhenverstellbare
Betten, spezielle Matratzen, Lifter, Duschstühle u.ä. angeschafft werden.N
ach Erledigung dieser Aufgaben entscheiden die
Betroffenen selbst, ob weitere Gespräche regelmäßig oder bei Bedarf stattfinden
sollen. Die sozialarbeiterischen Hilfestellungen werden überwiegend in Form
von Einzelgesprächen angeboten, wobei sich alles Handeln an den Wünschen, Bedürfnissen,
Fähigkeiten und Interessen der einzelnen Klienten orientiert. Die Mehrzahl wünscht
weitere Einzelgespräche i.d.R. einmal wöchentlich. Neben der Beratung, Information
und Hilfe im sozialrechtlichen Bereich (SGB, BSHG, AFG, SchwbG etc.) sind die
Themen oft lebenspraktischer und psychosozialer Art:
- Gestaltung von Alltagsstrukturen,
Entwicklung von Freizeitinteressen und Planung von Aktivitäten
- Reflexion der gesammelten Erfahrungen
- Hilfe
bei der Entwicklung neuer Verhaltensweisen und Strategien der
Lebensbewältigung
- AnsprechpartnerIn
bei belastenden Alltagsereignissen und bei der Aufarbeitung persönlicher
Probleme, ggf. Vermittlung und Motivierung zur Inanspruchnahme
komplementärer Hilfen
- Unterstützung und Begleitung bei der
Arbeitssuche, Wohnungssuche etc.
Individuelle Bedürfnisse und Wünsche hinsichtlich
ihrer Wohn- und Alltagssituation sollen die BewohnerInnen selbst erkennen und
aufzeigen. Unterstützend und beratend wird bei Bedarf in diesen Prozess eingegriffen.
Die betreuungspflegerischen
Hilfen umfassen je nach Einzelfall und Notwendigkeit sämtliche Hilfestellungen
- im Bereich der Körperpflege
- bei der hauswirtschaftlichen Versorgung
sowie bei der Nahrungszubereitung und -aufnahme
- bei der Freizeitgestaltung zur Erhaltung
und Erweiterung der Kontakte zur Umwelt.
Die Durchführung der pflegerischen Tätigkeiten
unterliegt der Fachaufsicht der Pflegedienstleitung der BDP - Sozialen Dienste
gGmbh. In den
ersten Wochen ist eine intensive Begleitung außer Haus wichtig. In dieser Orientierungsphase
werden Arztpraxen, Krankengymnasten, Banken, Geschäfte etc. erkundet bzw. ausgewählt.
Jeweils eine Betreuungskraft ist Ansprechpartnerin für einem Bewohner/in und
damit verantwortlich für den Informationsaustausch zwischen BewohnerInnen, Mitarbeiterinnen
und Leiterin. Die Zuständigkeiten werden in Absprache mit BewohnerInnen und
Betreuungskräften festgelegt. Neben den o.g. Hilfen übernehmen die Betreuungskräfte
die Begleitung zu Ämtern, Ärzten, Banken etc. und helfen bei organisatorischen
Schwierigkeiten (Schriftverkehr sortieren, Ordner anlegen u.ä.). Darüber hinaus
können sie auch Bezugsperson für persönliche Belange sein. Für
alle Mitarbeiterinnen steht die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse
und Wünsche der BewohnerInnen im Vordergrund. Die betreuerischen und sozialarbeiterischen
Hilfen sind eng aufeinander abgestimmt.
Die WTG unterstützt, fördert
und ermutigt die BewohnerInnen vor allem darin
- eine selbständige Bewältigung des
Alltags zu lernen (dies betrifft vor allem die Bereiche Selbstversorgung,
Haushaltsführung und Freizeitgestaltung)
- soziale Kompetenzen wie
Konfliktfähigkeit, Entscheidungsfähigkeit, Durchhaltevermögen etc. zu erwerben
- die eigenen Möglichkeiten und Grenzen
kennen zulernen und zu erproben
- durch den gebotenen Schonraum
(individuelle Beratung, Unterstützung und Begleitung) ihrem eigenen Tempo
gemäß und eigenverantwortlich in eine selbständige Lebensführung hineinzuwachsen
- lernen und beurteilen zu können, wie
viel Hilfe/ Unterstützung benötigt wird
- herauszufinden, wie Fremdpflegekräfte am
besten angeleitet werden
- Erfahrungen zu sammeln und diese
einordnen zu können
- herauszufinden, wie die eigene Wohnung
(später) gestaltet sein soll, damit größtmögliche Selbständigkeit
gewährleistet ist
- herauszufinden,
welche Wohnform der eigenen Person am ehesten entspricht.
Freizeitangebot
Da die Aufenthaltsdauer in der WTG begrenzt ist und das Erlernen von eigenverantwortlichem
und selbständigem Leben im Vordergrund steht, sind Gemeinschaftsaktionen und
Veranstaltungen offene Angebote. Folgende Freizeitaktivitäten gibt es im und
am Haus, die spontan oder geplant durchgeführt werden können:
- Aufenthaltsraum
der WTG: gemeinsames Kochen (unterfahrbare Spüle und Herd>, zusammen
sitzen, Gespräche führen, Gesellschaftsspiele spielen, gemeinsam fernsehen
etc.
- Großbildfernseher im Haus für besondere
Anlässe wie z.B. Fußball-WM
- gemeinsames
Grillen im Garten
Des weiteren werden Besuche von kulturellen Veranstaltungen in der Stadt, im
Westfalenpark etc., Theater- und Kinobesuche, Musikfestivals, Spaziergänge im
Fredenbaumpark, Restaurant-, Cafe- und Gaststättenbesuche wahrgenommen bis hin
zur individuellen Planung und Durchführung von Tagesausflügen in andere Städte.
Der
BDP Kreis verband Dortmund führt regelmäßig Urlaubsfahrten mit behinderten
und nicht-behinderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch. Die BewohnerInnen
der WTG können bei Interesse an diesen Reisen teilnehmen.
Sonstige Angebote:
- 93/94
,,Dienstaggruppentreffen",
ein wöchentlich stattfindendes Treffen von jungen behinderten Menschen zur
gemeinsamen Freizeitgestaltung; Treffen fanden im Edward-Clement-Haus, in
Restaurants, Kneipen, Kino etc. statt.
- 95/96
„Tanzgruppe für
Rollstuhlfahrer", initiiert und angeboten von Handicapped e.V.,
durchgeführt von Sportlehrerinnen; Treffen fanden einmal im Monat im
Edward-Clement-Haus statt.
- 1995
Gesprächskreis, Thema ,,Bioethik" für behinderte und
nichtbehinderte Interessentinnen.
- 1995
Computertreffen - Wochenendkurs, angeboten von der Gruppe
,,Offenes Ohr".
- 95/96
Kochkurs, 14-tägiges Angebot in der WTG.
- 1997
Durchführung einer ,,Kontaktbörse", die erstmalig im Juni
97 im Edward-Clement-Haus stattfand. In Zusammenarbeit mit dem Ambulant
Betreuten Wohnen des Vereins Mobile e. V. soll die ,,Kontaktbörse"
2 x jährlich angeboten werden.
Ziel ist, dass körperlich und/oder geistig
beeinträchtigte Menschen soziale Kontakte knüpfen können, um z.b. gemeinsam
Freizeitaktivitäten durchzuführen oder Menschen zu finden, mit denen sie gemeinsam
eine Wohnung beziehen möchten.
5. Organisationsformen in der WTG
Mit diesen Treffen soll die
Eigeninitiative der TeilnehmerInnen gefördert und darüber hinaus die
Möglichkeit geboten werden, die eigene Isolation zu durchbrechen.
- 1.Dienstbesprechungen
(14-tägig)
- dienen
der Information über wichtige Vorkommnisse, Aufgabenverteilung, Entscheidungsbefugnis,
Dienstplanerstellung, Vertretungsstrukturen
- TeilnehmerInnen: alle Mitarbeiterinnen
der WTG.
- 2.Übergaben
- finden täglich statt (Früh- an
Spätschicht).
- 3.Führen
von Info-Büchern
- für Mitarbeiterinnen und BewohnerInnen.
- 4.Einweisungsdiensfe
- für neue Mitarbeiterinnen
- 5.Bewohnednnenfmffen
(14-tägig)
- dienen der gegenseitigen Information
und Organisation. Dies sind z.B.:
- Auskünfte und Kontakte zu neu
eingestellten Betreuungskräften,
- Informationen über den Einzug neuer
BewohnerInnen,
- Konflikte untereinander werden
verbalisiert, und es wird gemeinsam nach Lösungsansätzen gesucht,
- Informationen zu Veranstaltungen,
VHS-Kursen, Arbeitskreisen etc.,
- Erstellen von Wochenplänen: Sie dienen
der Koordinierung der Aktivitäten außer Haus, bei denen Begleitung
gewünscht und/oder benötigt wird.
- Aktualisierung des Waschplans etc.
(Koordinierung der gemeinsamen Nutzung von Waschmaschine und Trockner).
TeilnehmerInnen:
alle
BewohnerInnen und LeiterIn. Teilnahme von Betreuungskräften bei Bedarf bzw. in
Absprache.
Diese
kontinuierlich stattfindenden Gespräche sind darüber hinaus förderlich für den
Austausch und Vergleich persönlicher Erfahrungen.
Kostenträger
Für die 36 Personen, die in der WTG wohnen/ wohnten,
sind folgende Kostenträger in Anspruch genommen worden:
- Sozialamt der Stadt Dortmund 18 Personen
- Sozialamt der Stadt Dortmund und Pflegekassen
12 Personen
- Berufsgenossenschaften 2 Personen
- Auswertige Kommunen 3 Personen
- Selbstzahler 1 Person
Betriebswirtschaftliche
Situation
Die Auslastung betrug:
- 1993
82,08 %
- 1994
96,71 %
- 1995
93,07 %
- 1996
92,88%
- 1997
94,79 %
Die durchschnittliche Auslastung lag bei
91,90 %. Die Differenz zwischen dem Tagessatz, der eine 85%ige Auslastung zugrunde
legt, und der tatsächlichen Belegung, wurde für die Kostensteigerungen im Personal
bereich während der letzten fünf Jahre benötigt. Der Tagessatz wurde seit 1993
nicht den laufenden Kostensteigerungen angepasst.
Personelle Ausstattung
- 1 SozialarbeiterIn Leitung
- 1 BerufspraktikantIn Teilzeit
- 3 BetreuungspflegehelferInnen Vollzeit
- davon 1 weiblich, 2 männlich
- 7 Betreuungspflegehelferlnnen Teilzeit
- davon 4 weiblich, 3 männlich, z.Zt. 2 im
Erziehungsurlaub
- 1 Zivildienstleistender Vollzeit
- 4 Aushilfen
Teilzeit
- davon 3 weiblich, 1 männlich
- 2 Mitarbeiterinnen im FSJ Vollzeit
Die personelle Ausstattung beträgt zum 31. Dezember
1997 rechnerisch 10 Vollzeitstellen. Die Beschäftigung von
TeilzeitmitarbeiterInnen und Aushilfen ist organisatorisch unabdingbar, da in
allen Arbeitsschichten mehrere MitarbeiterInnen gleichzeitig zur Verfügung stehen
müssen. Je nach anfallendem Hilfebedarf werden die MitarbeiterInnen eingesetzt.
Die Arbeit erfolgt im Schichtdienst und schließt Sonn- und Feiertage ein, so
dass eine umfassende Betreuung jederzeit sichergestellt ist. Auf ein ausgewogenes
Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen MitarbeiterInnen wird geachtet.
Die personelle Fluktuation ist sehr gering,
so dass Betreuungskräfte als AnsprechpartnerInnen oder Bezugspersonen kontinuierlich
zur Verfügung stehen.
Praktika
In der Zeit von Januar93 bis Dezember97
haben 32 StudentInnen im Rahmen ihres Studiums an der FH Dortmund, FB Sozialarbeit/Sozialpädagogik
und Anna-Zillken-Schule ihre Praktika in der WTG absolviert. Drei SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen
absolvierten ihr Anerkennungsjahr in der WTG. 1993
absolvierten 12 PraktikantInnen ihre Grund-bzw. Blockpraktika beim BDP. Schwerpunkt
der Praktika waren die ,,Dienstaggruppentreffen" (5. Seite 27 if. ,,Freizeitangebot“),
die unter Anleitung vorbereitet, begleitet und nachbereitet wurden. Die relativ
hohe Anzahl von PraktikantInnen war für diese Treffen unabdingbar; da sie nicht
nur die Organisation und Durchführung übernahmen, sondern auch Hilfestellungen
leisteten, z.b. Rollstuhlfahrer schoben bei Aktivitäten außer Haus. Im Frühjahr
1994 musste dieses Angebot gestrichen werden, da nicht mehr ausreichend PraktikantInnen
zur Verfügung standen. Das Kennenlernen der WTG war 1993 eher ein ,,Reinschnuppern"
in die Arbeit, die sich seinerzeit im Aufbau befand. Von
1994 bis 1997 absolvierten 14 PraktikantInnen ihr Grund- oder Blockpraktikum
in der WTG. Die unterschiedlichen Erfahrungen im sozialpflegerischen und -pädagogischen
sowie im verwaltungstechnischen Bereich, die in diesem Projekt gesammelt werden
können, gewähren den Studentinnen wichtige Einblicke in die unterschiedlichen
Formen der sozialen Arbeit. Großes Interesse besteht/bestand auch deswegen,
da es sich bei der WJG um eine Modelleinrichtung handelt und ein neues Projekt
in der sozialen Arbeit bundesweit ist.
Sechs
Studentinnen leisteten im Rahmen ihres Studiums an der FH Dortmund für Sozialarbeit
ihre PTS-Praktika (Praxis-Theorie-Semester-Praktika) in der WTG. Diese Praktika
dauern ein Jahr, wobei die Studentinnen einen Tag in der Woche in der Einrichtung
arbeiten.
6. Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen
Die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen
und Berufsgruppen besteht heute zu fol
genden Institutionen:
- Ämtern (Sozial-, Gesundheits-, Jugend-,
Versorgungsamt, Amt für Wohnungswesen, Arbeitsamt, Bafög-Amt)
- Landschaffsverbänden
- Kranken- und Pflegekassen
- Berufsgenossenschaften
- BfA, LVA
- Pflegediensten (amb. med. Versorgung)
- Sanitätshäusern
- Betreuungsvereinen, BerufsbetreuerInnen,
Gerichten
- Wohnheimen, Wohnstätten, Altenheimen,
Kurzzeitpflegeeinrichtungen
- Wohnungsbaugesellschaften,
Hausbesitzerinnen und HausverwalterInnen
- Ärztinnen, KrankengymnastInnen,
Pflegefachkräften, Logopädinnen
- Sozialdiensten der Reha-Kliniken und
Krankenhäusern, WZtpPP
- Schulen (z.B. KB-Schule,
Gehörlosenschule), Orthopädische Anstalten Volmarstein
- Werkstätten für Behinderte
- Beratungsstellen, Psychotherapeuten
- Fachhochschulen,
Universitäten
7. Beurteilung und Ausblick
Der Verbleib des Einzelnen in der ,,WTG
ist nicht auf Langfristigkeit ausgerichtet, sondern soll innerhalb eines begrenzten
Zeitraumes die Unabhängigkeit von institutioneller Versorgung herbeiführen,
indem sie den BewohnerInnen Hilfe zur Selbsthilfe und damit einhergehend Unterstützung
bei der Führung eines selbstbestimmten Lebens anbietet. Die
Rahmenbedingungen der WTG bieten einerseits Sicherheit, Schutz und Unterstützung
und gewähren andererseits Freiräume, die notwendig sind zum Ausprobieren und
Austesten der eigenen Möglichkeiten und Grenzen. Diese Kombination ist für viele
Betroffene notwendig, hilfreich und sinnvoll, um individuelle Entwicklungsprozesse
durchlaufen zu können. Ebenfalls von großer Bedeutung ist, dass eine professionelle,
pädagogische Zielsetzung, in der aus anderen Einrichtungen bekannten Weise,
nicht derart präsent ist (ihnen wird nicht immer über die Schulter geschaut),
so dass mehr ,,normaler" Alltag gelebt und ausprobiert werden kann. Die
Beziehung zwischen BewohnerInnen und Mitarbeiterinnen basiert nicht auf dem
oft erlebten Machtgefälle zwischen Helfenden und Hilfsbedürftigen, sondern in
erster Linie auf Gleichrangigkeit. Zusammenfassend und schlußfolgernd läßt sich
sagen, dass jene behinderten Menschen die WTG in Anspruch nehmen, die vom Elternhaus
oder Freundeskreis nicht die Unterstützung erfahren, die sie für ein selbständiges
und selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung benötigen Selbständigkeit ist nach wie vor ein zu wenig
beachteter Faktor in der Erziehung und Sozialisation von körperlich und geistig
beeinträchtigten Menschen. Das Aufwachsen in ,,Sonderwelten" bringt einen
Teil unserer Gesellschaft um den Erwerb wichtiger Handlungskompetenzen, die
als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und Wohnen notwendig sind.
In der WTG steht die Förderung und Unterstützung
selbständigen Handelns im Vordergrund. Ebenfalls werden Informationen über selbstorganisierte
Assistenz, ambulante Dienste, benötigte Anträge, Finanzierung etc. gegeben,
die oftmals völlig unbekannt sind. Die WTG als Übergangsform ist eine Möglichkeit
auf dem Weg zu einem selbstbestimmten und selbständigen Leben. Solange behinderte
Menschen überwiegend im Elternhaus oder in institutionellen Einrichtungen wohnen,
ist die WTG eine sinnvolle Alternative für diejenigen, die erst Erfahrungen
mit ambulanter Unterstützung und eigenständigem Leben sammeln möchten, bevor
sie sich ein Leben allein" zutrauen. Die Erziehung zur Selbständigkeit ist eine wesentliche
Bedingung dafür, dass ein Mensch mit einer oder mehreren Funktionsbeeinträchtigungen
dasjenige Selbstwertgefühl und diejenige Autonomie entwickelt, die er für die
soziale Auseinandersetzung mit anderen benötigt und die notwendig ist, um von
den anderen sozial akzeptiert zu werden, sich zugehörig zu fühlen. Hält man sich vor Augen, dass der überwiegende
Teil (ca. 60 %), der seit der frühen Kindheit körperlich eingeschränkten jungen
Erwachsenen so lange bei den Eltern wohnt, bis diese die Hilfestellung wegen
Überlastung und/oder aus Altersgründen nicht mehr leisten können, zeigt sich
die Relevanz einer Wohnform wie der WTG, in der die BewohnerInnen Handlungskompetenzen
erwerben können, die sie dazu befähigen, Abhängigkeiten zu mindern und ihren
Alltag selbstbestimmt zu gestalten (vgl. Edgar Kösler, Rehabiliert.. und
dann?,5 120ff.) Daneben ist zu beobachten, dass die WTG als
Übergangsform auch den Ablösungsprozeß der Eltern von ihren ~Kindern"
erleichtert. Erwachsene, die nach Unfall oder Krankheit körperlich
beeinträchtigt sind, haben die Möglichkeit, übergangsweise in der WTG zu wohnen,
bis eine adäquate Wohnung bezogen werden kann, eine andere Wohnform gefunden
wird bzw. der behindertengerechte Umbau der bereits vorhandenen Wohnung abgeschlossen
ist. Häufig werden die Probleme und Schwierigkeiten
erst bewusst wahrgenommen, wenn die Klinik verlassen und der Alltag bewältigt
werden muss. Die Anleitung von Betreuungskräften muss
erlernt werden, insbesondere die Wahrnehmung
und Äußerung der eigenen Bedürfnisse. Das Wissen über rechtliche Möglichkeiten
fehlt. Erfahrungen im Umgang mit Behörden sind i.d.R. kaum vorhanden, Rentenanträge,
Anträge auf Pflegeleistungen etc. Völlig neu. Die Personen, die die WTG nach der Entlassung
aus Reha-Kliniken oder Krankenhäusern beziehen, nutzen die Hilfsangebote, um
sich mit fachlicher Unterstützung und Hilfe auf die veränderten Alltagsbedingungen
einzustellen. Die Situation im Bereich der ambulanten Versorgung
verschärft sich von Jahr zu Jahr. Die Einführung des SGB XI und die damit verbundene
Festlegung des Begriffs der ,,Pflegebedürftigkeit", die vom BSHG zwingend
übernommen werden muss, hat eine deutliche Veränderung im Bereich der ambulanten
Versorgung bewirkt. Die Gewährleistung umfassender, ganzheitlicher Hilfen, die
beeinträchtigte Menschen in ihrer eigenen Wohnung den jeweiligen Bedürfnissen
entsprechend benötigen, kann nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt
werden. Folgen sind Unsicherheit, zu wenig Hilfestellung,
teilweise Verzögerung beim Bezug der Wohnung. Zur Umsetzung des SGB Xl und dessen
Auswirkung auf die WTG kann an dieser Stelle noch keine aussagekräftige Bewertung
getroffen werden, da diese Problematik erst ab dem 1. Juli 97 umfassend zum
Tragen kommt und somit bisher keine Erfahrungen gesammelt werden konnten.
Im BSHG heißt es in § 39 Abs. 1 ,,Personen,
die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch behindert sind,
ist Eingliederungshilfe zu gewähren." In Absatz 3 folgt: ,Aufgabe der Eingliederungshilfe
ist es, eine .... vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder
zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört
vor allem, dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen
oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen
angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn soweit wie möglich unabhängig
von Pflege zu machen". Die ersten fünf Jahre Arbeit in der WTG haben
deutlich gemacht, dass Menschen mit körperlichen, geistigen und/oder seelischen
Beeinträchtigungen in der Lage sind - unabhängig von der Art der Behinderung
- eine eigenständige Lebensführung zu erlernen, um soweit wie möglich von persönlichen
Hilfen unabhängig zu werden. Auffallend ist, dass die Gruppe der lern- und
geistig behinderten Menschen vor Aufnahme in die WTG in Heimen gelebt hat oder
eine Heimaufnahme von Angehörigen angestrebt wurde, die die Betroffenen ablehnten.
Aufgrund fehlender Erfahrungen kann die Mehrzahl
der BewohnerInnen, die von Kindheit/Geburt an behindert ist, bei Einzug in die
WTG nicht beurteilen, wie sie langfristig leben möchte, welche individuellen
Entwicklungen durch intensive Förderung möglich sind und wie viel Unabhängigkeit
und Selbständigkeit sie sich zutrauen können. Die WTG bietet diesen jungen Menschen die Möglichkeit
des (Sich-) Kennenlernens, Ausprobierens und Erlernens einer selbständigen Lebensführung,
um herausfinden zu können, was sie mit Übung und Training lernen und allein
bewältigen können bzw. bei welchen Verrichtungen Hilfestellungen erforderlich
sind. Mit entsprechender Unterstützung werden Perspektiven entwickelt, die den
realen Bedürfnissen entsprechen. Anhand der Auswertung ist nochmals darauf hinzuweisen,
dass die WTG keine Pflegeeinrichtung ist und insofern die Einstufung in eine
Pflegestufe als Aufnahmekriterium keine Rolle spielen darf, damit weiterhin
allen Menschen mit körperlichen, geistigen und/oder psychischen Beeinträchtigungen,
die einen Aufenthalt wünschen und/oder aufgrund akuter Notlagen eine Unterbringung
benötigen, die individuellen und lebenspraktischen Hilfsangebote zur Verfügung
gestellt werden können.
8. Literatur
- KÖSLER, EDGAR
- Rehabilitiert ... und dann?, Aspekte
der nachschulischen Lebenssituation von motorisch schwer beeinträchtigten
Menschen, Augsburg 1991, AV-Verlag Franz Fischer.
- PIEPER, MARIANNE
- Seit Geburt körperbehindert..., Behinderung als kontinuierliche
lebensgeschichtliche Erfahrung aus der Sicht Betroffener und deren
Familien, Weinheim 1993, Deutscher Studien Verlag.
- BDP DORTMUND
- Konzeption der
,,Übergangswohnung/Wohntrainingsgruppe" - Stand Dezember 1992.
- SABINE SCHLINKERT
-
,,Ein Leben so selbständig wie möglich
führen - Wohnen von körperbehinderten Erwachsenen in der Bundesrepublik
Deutschland". Diplom-Arbeit an der ev. Fachhochschule Rheinland-Westfalen-Lippe,
Nov.95.
9. Im Text verwendete Abkürzungen:
- HzL Hilfe
zum Lebensunterhalt
- WZfpPP Westfälisches
Zentrum für Psychiatrie
- Psychotherapie
und Psychosomatik
- WfB Werkstätten
für Behinderte
- KB-Schulen Körperbehinderten-Schulen
- WTG Wohntrainingsgruppe
- BDP Bund
Deutscher Pfadfinder
- FH Fachhochschule
- PTS-Praktika Praxis-Theorie-Semester-Praktika
- Bafög Bundesausbildungsförderungsgesetz
- BfA Bundesversicherungsanstalt
für Angestellte
- LVA Landesversicherungsanstalt
für Angestellte
- FSJ Freiwilliges
Soziales Jahr
- BSHG Bundessozialhilfegesetz
- 5GB Sozialgesetzbuch
- DPWV Deutscher
Paritätischer Wohlfahrtsverband
© BDP-Projektbereich Behindertenarbeit
e.V., Dortmund BDP Soziale Dienste gGmbH, Dortmund