Waltraud Dinkermann

Ein Praxisbericht aus der Wohntrainingsgruppe/Übergangswohnung

  1. Vorbemerkungen                 
  2. Klientenstruktur in der Übergangswohnung/Wohntrainingsgruppe        
    1. Kontaktaufnahme und Erstgespräch    
    2. Alter und Geschlecht der Bewohner   
    3. Lebenssituation vor Einzug in die WTG          
    4. Gründe für den Einzug
    5. Arten der Beeinträchtigungen  
    6. Aufenthaltsdauer der BewohnerInnen 
    7. Elternhaus und Familienstruktur/Freunde und Bekannte          
    8. Berufliche Situation der BewohnerInnen         
    9. Finanzielle Situation der BewohnerInnen         
    10. Wohnsituation nach Auszug    
  3. Kontakte/Hilfestellungen nach Auszug aus der WTG      
  4. Hilfsangebote           
    1. Sozialarbeiterisches und betreuungspflegerisches Angebot      
    2. Freizeitangebot                       
  5. Organisationsformen der WTG      
    1. Kostenträger  
    2. Betriebswirtschaftliche Situation          
    3. Personelle Ausstattung
    4. Praktika                     
  6. Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen         
  7. Beurteilung und Ausblick    
  8. Literatur                   
  9. Abkürzungen

             

1. Vorbemerkungen

Das Projekt ,,Übergangswohnung/Wohntrainingsgruppe" - im folgenden kurz WTG genannt - ist Bestandteil des ,,Edward-Clement-Hauses", einem Zentrum für behindertenintegrative Sozial- und Jugendarbeit. Der Träger des Hauses ist der Bund Deutscher Pfadfinder -Projektbereich Behindertenarbeit e.V(., der 1983 von behinderten und nicht behinderten Personen gegründet wurde. Mit der Einführung der Pflegeversicherung im Jahr 1995 wurden neue und andere Anforderungen an den BDP gestellt. Der Verein trug diesen ge­änderten Bedingungen Rechnung, indem er die Bund Deutscher Pfadfinder - Soziale Dienste gGmbH als gemeinnützige Gesellschaft gründe­te. Seit Oktober 1997 ist die BDP-Soziale Dienste gGmbH, die ebenfalls Mitglied im Paritätischen ist, Träger der WTG. Im Rahmen unserer langjährigen Tätigkeit er­reichte uns immer wieder der Wunsch junger, behinderter Menschen, im eigenen Haushalt leben zu wollen. Diesem Bedürfnis wurde durch das Angebot der WTG Rechnung getragen. Jugendliche und junge Erwachsene, die seit der Geburt oder von Kindheit an behindert sind, unterstützt der BDP beim Ablösungsprozess aus einer oftmaligen Überbetreuung im Elternhaus oder einer in­stitutionellen Unterbringung. Menschen, die nach Unfall oder Krankheit be­einträchtigt sind, haben die Möglichkeit über­gangsweise in der WTG zu wohnen, bis eine adäquate Wohnung bezogen werden kann oder eine andere Wohnform gefunden wird. Zielsetzung ist, diese jungen Menschen - soweit wie möglich - zu befähigen, eigenverantwortlich und selbständig zu leben und zu handeln und den Verlauf des Alltags selbst zu bestimmen.

2. Klientenstruktur in der Übergangswohnung/Wohntrainingsgruppe

Die Auswertung bezieht sich auf den Zeitraum vom 01.01.1993 (Beginn der Arbeit) bis zum 31.12.1997. Innerhalb dieses Zeitraums wohnen/ wohnten insgesamt 36 Personen in der WTG. Zum Stichtag 31.12.97 wohnen sieben Personen in der WTG.

2.1 Die Kontaktaufnahme erfolgte durch   Häufigkeit

Die Erst- bzw. Vorstellungsgespräche haben 26 Personen in Begleitung von Sozialarbeiterinnen, Berufsbetreuerinnen, Lehrerinnen, Ärztinnen und TherapeutInnen wahrgenommen; acht Personen haben die WTG erstmalig mit Angehörigen aufgesucht und zwei Personen kamen allein zum Vorstellungsgespräch.Die Zahlen aus der Tabelle geben einen ersten Eindruck davon, wie eingeschränkt das Vermö­gen vieler behinderter Menschen ist, eigene Wünsche und Bedürfnisse zu benennen und umzusetzen. Die Mehrzahl der Personen, die die Leistung der WTG in Anspruch nahm, hatte den Wunsch nach einer eigenständigen Lebensführung. Die Realisierung derartiger Wünsche findet i.d.R. aber nur dann statt, wenn Vertrauens- oder Bezugspersonen unterstützend zur Seite bzw. den Wünschen aufgeschlossen gegenüber stehen. Oftmals wird Personen, die seit Geburt/Kindheit behindert sind, keine selbständige Lebensführung zugetraut. Die Erziehungsinstanzen, Eltern­haus und Sondereinrichtungen (Sonderkinder­gärten, Sonderschulen und Werkstätten für Be­hinderte) sowie Heimaufenthalte dienen meist nicht der Förderung der eigenen Möglichkeiten, sondern bewirken nicht selten das Gegenteil: eine Verhinderung der individuellen Entwicklung. Die Herausbildung von Selbständigkeit und Selbstbestimmung als Grundlage für ein - soweit wie möglich - unabhängiges Leben wird oftmals erschwert oder stark eingeschränkt. Es ist daher verständlich, dass ein Leben in der eigenen Wohnung direkt nach dem Auszug aus dem Elternhaus oder Heim als Überforderung und damit als nicht realisierbar empfunden wird.

2.2 Alter und Geschlecht der BewohnerInnen

In der WTG wohnen/wohnten 36 Personen, wobei der Anteil an männlichen Bewohnern (21 Männer) leicht überwiegt. Auffällig an der Altersstruktur der BewohnerInnen ist, dass der Anteil der 18-27ährigen überwiegt. Dies hängt nicht zuletzt mit der Zielsetzung der WTG vor allem jüngere Menschen anzusprechen, zusammen. Die WTG wurde von Personen aus sehr unter  schiedlichen Lebens- und Wohnsituationen  bezogen. Die Hälfte der BewohnerInnen bezog die WTG direkt vom Elternhaus aus, wobei vier Personen aus unhaltbaren familiären Verhältnissen kamen und die Einrichtung mit Hilfe von Sozialarbeiter­Innen und LehrerInnen bezogen. Von den vier Personen mit eigener Wohnung lebten zwei in Wohnungen, die sich in katastropha­len Zuständen befanden. Eine davon umfasste insgesamt 12 m2 inkl. Waschbecken. Die Toilette befand sich auf dem Flur und konnte vom Mieter, der auf einen Rollstuhl angewiesen war, nicht benutzt werden. Die andere war durch einen Wasserrohrbruch derart beschädigt worden, dass sie nicht mehr bewohnbar war. Auch hier lag die Toilette auf dem Flur und war nur eingeschränkt nutzbar. Beide Wohnungen waren nur über Treppen erreichbar. Ohne Fremdhilfe konnten beide Rollstuhlfahrer ihre Wohnungen weder betreten noch verlassen und verbrachten die meiste Zeit dort. Die dritte Person mit eigener Wohnung kam nach einem Unfall mit ihrer veränderten Lebenssituation, jetzt alles vom Rollstuhl aus organisieren" zu müssen, nicht zurecht. Die vierte Person wohnte gemeinsam mit Ehefrau und Kind. Hier war die Trennung der Eheleute Grund für den Auszug. Eine Person, die aus der Reha-Klinik kam, wartete auf den behindertengerechten Umbau der bereits vorhandenen Wohnung. Vier Personen zogen aus Heimen in die WTG. Zu ,,sonstige" zählen Personen, die aus einer psychiatrischen und Obdachloseneinrichtung kamen. Von den insgesamt 36 Personen waren acht zum Zeitpunkt des Einzugs unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht und weitere vier in akuten familiären Notlagen. 29 der WTG-BewohnerInnen sind/waren Einwohnerrinnen der Stadt Dortmund. Von den sieben Personen aus anderen Städten benötig­ten vier behindertengerechten Wohnraum, der nicht zur Verfügung stand. Die Wohn- und Lebenssituation zeigt, dass die Aufnahme einerseits auf dem Wunsch nach einer veränderten Wohn- und Lebenssituation beruht, auf der anderen Seite notwendig gewordene Veränderungen der bisherigen Lebenssituationen eine Aufnahme erforderlich machten.

Beim Erstgespräch wurden folgende Gründe genannt

(Mehrfachnennungen waren möglich)

Während des Erstgesprächs können die BewohnerInnen selten konkret benennen, in welchen Bereichen sie etwas lernen oder trainieren möchten. Vielen wird erst im Laute des Aufenthalts bewusst, für welche Verrichtungen sie Hilfestellung benötigen und was selbständig bewältigt werden kann. Bei den Personen, die von Geburt/Kindheit an beeinträchtigt sind und direkt vom Elternhaus die WTG beziehen, lässt sich dieses Verhalten auf das Durchleben eines Prozesses zurückführen, in dessen Mittelpunkt das Kennen lernen, Umsetzen und schließlich Einfordern der eigenen Bedürfnisse steht, die durch Bevormundung und Fremdbestimmung in vielen Lebensbereichen bisher nicht erlebt und erfahren werden konnten. Massive Schuldgefühle, die sich aufgrund der starken Abhängigkeiten der Betroffenen vom Elternhaus infolge der Pflege und Versorgung, die die Eltern über viele Jahre hinweg leisteten, entwickelt haben, begleiten sehr häufig den Ablösungsprozess von der Familie, verbunden mit der Frage: ,,Habe ich überhaupt ein Recht darauf, mich zu verabschieden, obwohl meine Eltern so viel für mich getan haben". Während die jungen behinderten Menschen häufig zwischen Schuldgefühlen und Erleichterung bzw. Bevormundung und Emanzipation schwanken, ist es für die Eltern manchmal schwerer, die Lücke zu schließen, die der Auszug des ,,Kindes" in ihrer Alltagsstruktur hinterlässt, (vgl dazu Marianne Pieper; Seit Geburt körperbehindert..., 5288 ff1 In diesem Zusammenhang erleichtert die WTG für manche Eltern den Ablösungsprozess von ihren ,,Kindern", da in der WTG eine gewisse ,,soziale Kontrolle" (Besuche, Rücksprache mit Betreuungskräften, Sozialarbeiterin etc.) Vorhanden ist, die in der eigenen Wohnung des ,,Kindes" fehlen würde. Anders verhält es sich bei Menschen1 die durch Unfall oder Krankheit beeinträchtigt sind. Sie verbringen oftmals viele Monate in Krankenhäusern und Reha-Kliniken; hier stehen Ärzte und Fachpflegekräfte zur Verfügung1 eine ,,rund-um-die­Uhr"-Versorgung und -Pflege ist gewährleistet. Nach der Entlassung haben die Betroffenen häufig große Probleme mit der völlig veränderten Lebenssituation, zumal sie letzt wieder für ihren Alltag verantwortlich sind und viele Dinge, die ihnen in der Klinik abgenommen wurden, selbständig organisieren müssen.

Arten der Beeinträchtigungen

Entsprechend der Konzeption der WTG zählen zur Zielgruppe,,... grundsätzlich... alle körperbehinderten Erwachsenen...Der Aufenthalt in der WTG ist nicht an bestimmte Formen der Körperbehinderung gebunden" (vgl. Konzeption der Übergangswohnung/wohntrainingsgruppe1 Stand Dezember 1992, S.1O). Zu ,,Sonstige" zählen Krankheiten/Behinderungen, die einmal genannt wurden, und zwar Multiple Sklerose, Dysmehe, Karzinom, Systemischer Lupus Erythematodes, Hirnorganisches Psychosyndrom und hypoxische Encephalopathie. Zusätzliche Beeinträchtigungen sind z.b. psych. Erkrankung, geistige oder Lernbehinderung, hydrozephale Beeinträchtigung, Apoplexie, Aphasie, Diabetes, Hörschädigung oder Alkoholabhängigkeit. Wie aus diesem Diagramm er­sichtlich wird, hat sich die Zielgruppe, wie in der Konzeption von 1992 beschrieben, erweitert. Heute werden Menschen nicht nur mit körperlichen, sondern auch mit geistigen und/oder psychischen Beeinträchtigungen aufgenommen. Für die Mehrzahl der BewohnerInnen - unabhängig von der Beeinträchtigung und der Einstufung in eine Pflegestufe - steht das Erlernen einer eigenständigen Lebensführung im Vordergrund, um soweit wie möglich von Hilfen unabhängig zu werden. Die Erfahrung hat gezeigt, dass die gewünschte Verselbständigung nicht an einer speziellen Beeinträchtigung, dem Grad der Behinderung und/oder Mehrfachbehinderungen scheitern muss. Unterscheidungen ergeben sich allerdings durch den Zeitpunkt, zu dem die Behinderung aufgetreten ist. Nicht weiter von Bedeutung, aber auffallend ist, dass bei den Erwachsenen der Anteil der Behinderten mit zusätzlichen Beeinträchtigungen prozentual höher liegt, als bei den von Geburt/Kindheit an Behinderten.

Aufenthaltsdauer der BewohnerInnen

Die Daten der 29 Personen, die bisher aus der WTG ausgezogen sind, ergeben folgendes Bild: Die Aufenthaltsdauer bezogen auf den Einzelfall variiert von zwei bis 28 Monate. Die durchschnittliche Aufenthaltsdauer der Personen mit einer Funktionsbeeinträchtigung/ Krankheit ist verglichen mit denen, die zusätzliche Behinderungen aufweisen, nahezu identisch, d.h., dass die Hilfsangebote der WTG etwa ein Jahr in Anspruch genommen werden - unabhängig von der Behinderungsart und/oder Mehrfachbehinderung. Je nachdem, in welchem Alter/Entwicklungsstadium die Behinderung aufgetreten ist, gestaltet sich - hinsichtlich der in einigen Fällen bereits selbständig gelebten Zeiträume - das Streben eben danach unterschiedlich stark aus. Die Menschen, die seit Geburt/Kindheit behindert sind, wohnten im Schnitt ca. ein halbes Jahr länger in der WTG als diejenigen, die erst später durch Krankheit oder Unfall beeinträchtigt wurden. Auffällig ist, dass zwei Personen, die durch Unfall bedingt hochgradige Querschnittslähmungen erlitten und aufgrund der Tetraelegie bei fast allen anfallenden Verrichtungen auf Hilfestellung angewiesen sind, 16 bzw. 28 Monate in der WTG verbrachten, bevor eigene Wohnungen bezogen wurden.Dieser Umstand hängt stark von der individuellen Problematik der Betroffenen ab und kann nicht verallgemeinert werden. Die Verarbeitung und Bewältigung einer derart veränderten Lebenssituation ist ein langwieriger Prozess, der vieler Hilfsangebote und Unterstützung bedarf. Die vier Personen aus unhaltbaren familiären Verhältnissen blieben durchschnittlich 19,25 Monate in der WTG. Aufgrund ihrer besonderen Problematik waren zeitintensive und langfristige Hilfsangebote zur psychischen Stabilisierung vonnöten. Drei der Personen waren bei Aufnahme 18 bzw. 19 Jahre alt. Eigeninitiativen oder persönliche In­teressen wurden in allen vier Elternhäusern für unwichtig beziehungsweise unbequem erachtet und unterbunden. Diese konfliktbeladenen Beziehungen führten auf Seiten der Betroffenen zu großer Unsicherheit und Selbstzweifel infolge fremdbestimmten Handelns. Solche Situationen verhindern die innere Ablösung von den Eltern in einer dem Alter angemessenen Art. Alle vier Personen wiesen bei der Aufnahme deutliche Entwicklungsdefizite gegenüber ihrer Altersgruppe auf. Aufgrund dieser nicht altersentsprechenden psychosozialen Entwicklung waren sie in vielen Verrichtungen des täglichen Lebens und bei der Bewältigung alltäglicher Auf gaben und Probleme überfordert und auf umfassende Hilfestellung und Unterstützung angewiesen. Die lebenspraktischen und individuellen Hilfsangebote über einen längeren Zeitraum hinweg, ermöglichten ihnen Entwicklungsverzögerungen aufzuholen, Defizite auszugleichen, (bessere) Bewältigungsstrategien zu entwickeln und Handlungskompetenzen zu erwerben, die für ein selbständiges und eigenverantwortliches Leben notwendig sind. Diese Erfahrungen lassen sich zum Teil auch auf jene Klienten übertragen, die ebenfalls seit Ge­burt/Kindheit beeinträchtigt sind, die WTG aber aus einem intakten" Elternhaus kommend bezogen haben. Auch sie wohnten länger in der WTG als die durch Unfall/Krankheit bedingt Behinderten. In diesem Zusammenhang ist es erwähnenswert, dass von den 24 BewohnerInnen der WTG, die seit Geburt/Kindheit behindert sind, 23 in Sondereinrichtungen gelernt und gelebt haben. Der Besuch von Sonderkindergärten, Sonderschulen, Werkstätten für Behinderte etc. führt oftmals dazu, dass soziale Kontakte auf Elternhaus und andere behinderte Menschen begrenzt sind. Die Aussonderung aus den regulären ,,normalen" Lebens- und Lernzusammenhängen führt zu nicht unerheblichen sozialen und beruflichen Defiziten, die im Erwachsenenalter kaum aufzuholen sind. Für diese Personengruppe ist ein längerer Aufenthalt in der WTG notwendig, da sie intensive Hilfsangebote in Form von Gesprächen, Begleitung, Anleitung, Unterstützung und auch Zuwendung benötigen, um mit mehr Sicherheit, Selbständigkeit und Selbstvertrauen die eigene Wohnung beziehen zu können. Die Gruppe der infolge von Unfall oder Krankheit behinderten Menschen beziehen die WTG i.d.R. übergangsweise, bis eine behindertengerechte bzw. -freundliche Wohnung bezogen werden kann oder die bereits vorhandene umgebaut ist. Sie lernen im Laufe ihres Aufenthaltes besser mit dem Alltag, der nun unter anderen Vorzeichen stattfindet, zurechtzukommen. Der Umgang mit Pflegekräften ist eine neue und fremde Erfahrung. Die exakte Beschreibung der Aufgaben, die an die Betreuungskräfte herangetragen werden, muss erlernt werden und ist für viele behinderte Menschen anfangs schwierig und zeitaufwendig. Verrichtungen, die vor der Behinderung allein ausgeübt wurden, müssen jetzt den Pflegekräften konkret benannt werden. Für Menschen, die aus Reha-Kliniken kommen, ist die Alltagsbewältigung in dieser Form besonders mühevoll. Darüber hinaus ist viel Zuwendung und Ansprache erforderlich, da die ,,Akzeptanz des eigenen Schicksals" lange noch nicht abgeschlossen ist bzw. noch nicht einmal begonnen hat. Setzt man die Aufenthaltsdauer in Beziehung zum Alter der BewohnerInnen, fällt auf, dass jüngere BewohnerInnen deutlich länger in der WTG wohnen als ältere. Dies ist dadurch zu erklären, dass der Grad der Verselbständigung bzw. die Schnelligkeit diese zu erlangen, bei älteren Behinderten größer ist/war als bei jüngeren. Bezogen auf die Aufenthaltsdauer ist weiterhin auffällig, dass die vier auf dem ersten Arbeitsmarkt berufstätigen Personen, die mittlerweile ausgezogen sind, im Durchschnitt 18 Monate in der WTG lebten. Es handelt sich bei ihnen um Rollstuhlfahrerinnen, die seit Geburt/Kindheit behindert sind und direkt vom Elternhaus eingezogen waren. Neben den bereits genannten Gründen lässt sich hier eine höhere Verweildauer auf den Umstand zurückführen, dass Berufstätige durch Arbeit stark gefordert werden und ihnen definitiv weniger Zeit zum Erlernen alltäglicher Dinge (Alltagsstrukturierung, Organisation einer Haus­haltsführung etc.) zur Verfügung steht. Für sie ist es wichtig, den Alltag so zu strukturieren, dass die alltäglichen Verrichtungen ohne Zeitdruck durchgeführt werden. Dazu gehört auch, dass sie lernen, die eigenen Wünsche und Bedürfnisse sach­lich und präzise den Betreuungskräften gegenüber zu äußern. Abweichend von der Konzeption 1992, in der die Aufenthaltsdauer der BewohnerInnen im Regelfall ein halbes Jahr betragen soll (vgl. ebd. Seite 10), hat sich in der praktischen Arbeit gezeigt, dass die durchschnittliche Wohndauer 12,5 Monate beträgt. Zeitliches Eintreten der Behinderung, Alter Berufstätigkeit, Lebenssituation vor Aufnahme etc. sind wichtige Einflussgrößen für eine längere Aufenthaltsdauer. Fünf Jahre Erfahrung haben gezeigt, dass ein halbes Jahr für die Mehrzahl der BewohnerInnen nicht ausreicht, um ein selbständiges Leben in der eigenen Wohnung in Angriff zu nehmen. Die durchschnittliche Dauer für grundlegende Ent­wicklungen, Veränderungen und 5tabilisierung des Erlernten beträgt ca. 1 bis 11/2 Jahre. Wün­schenswert wäre es, wenn die BewohnerInnen - ohne Zeitdruck - den Auszugstermin selber fest­legen könnten. 23 der bislang 36 BewohnerInnen der WTG gehören zu der Altersgruppe der 18-27 jährigen. In dieser Zeit findet in aller Regel die räumliche Loslösung vom Elternhaus statt. Die BewohnerInnen, die direkt vom Elternhaus in die WTG gezogen sind, fühlten sich nicht in der Lage, diesen Abnabelungsprozess ohne professionelle Unterstützung zu durchlaufen. Diejenigen, die WTG aufgrund akuter Notlagen bezogen, hatten i.d.R. keinen Kontakt zum Elternhaus oder im Einzelfall ein sehr konfliktbeladenes und angespanntes Verhältnis zu den Eltern, so dass mit unterstützender Hilfe von Seiten der Familienangehörigen nicht gerechnet werden konnte. Lediglich sieben von 36 Personen stammen aus einem intakten Elternhaus. Sie sind seit der Geburt/Kindheit beeinträchtigt und direkt vom Elternhaus in die WIG gezogen. Die Mehrzahl der BewohnerInnen stammt aus diskfunktionalen Elternhäusern. Abb6 Die von Geburt/Kindheit an beeinträchtigten Menschen erlernen im Laufe ihres Aufenthaltes in der WTG ein besseres, und ihrem Alter angemessenes Verhältnis zum Elternhaus aufzubauen und sich aus den oft sehr stark belastenden Abhängigkeiten und Bevormundungen - und daraus resultierenden Schuldgefühlen - zu lösen. Sie entwickeln mehr Unabhängigkeit und Selbständigkeit bei der Bewältigung alltäglicher Probleme und Aufgaben. Neun BewohnerInnen hatten gute und tragbare Freundschaftsbeziehungen mit mindestens einem/einer verlässlichen Freund/Freundin. Einen zufriedenstellenden Elternkontakt und intakte freundschaftliche Beziehungen waren bei lediglich fünf BewohnerInnen zu beobachten. Abb. 7 Die Mehrzahl der behinderten Menschen lebt vor während und nach ihrem Aufenthalt in der WIG stark isoliert. Menschen, die durch Unfall oder Krankheit behindert werden, müssen oft erfahren, dass sich langjährige Partner von ihnen trennen und private Kontakte abgebrochen werden. Teilweise erreichen Kontakte, die innerhalb des Hauses geknüpft werden, eine Stabilität, die den Aufenthalt in der WTG überdauern und sich zu tragfähigen Freundschaften entwickeln. Andere knüpfen Kontakte zu Arbeitskollegen und/oder versuchen Menschen durch Freizeitaktivitäten kennen zu lernen. Viele hegen den Wunsch Freundschaften und Partnerschaften zu nichtbehinderten Menschen zu knüpfen. Der Besuch von ,,Sondereinrichtungen" für Behinderte, wie Schulen mit großem Einzugsgebiet, Werkstätten für Behinderte etc. Erschwert die Integration von behinderten Menschen in unserer Gesellschaft. Damit wird z.b. die Aufnahme von Kontakten zwischen behinderten und nichtbehinderten Menschen für beide Seiten zum seltenen Ereignis. Zudem schafft diese Trennung eine spezifische Kommunikations- und Umgangskultur, die einer Verständigung und Annäherung im Wege steht. Unsicherheiten und Vorurteile auf Seiten der nichtbehinderten Menschen tun ihr übriges, damit kein wirklicher Austausch und gegenseitiges kennen lernen möglich wird.

Berufstätigkeit der Bewohner

 

Während des Aufenthaltes ergaben sich folgende Veränderungen: zwei Personen wechselten von der Schule in Werkstätten für Behinderte IWfBI eine Person wechselte von der KB-Schule in Dort­mund nach Volmarstein, drei Personen beantragten Erwerbsunfähigkeitsrente und schieden damit aus der Erwerbstätigkeit aus, eine Person nahm ein Studium auf, eine Person konnte in eine AB-Maßnahme vermittelt werden Die Chancen für Behinderte, auf dem ersten Arbeitsmarkt eine Beschäftigung zu finden, sind relativ gering. Bedingt durch die insgesamt angespannte Arbeitslage wird Arbeitslosenhilfe es für behinderte Menschen immer schwieriger, einen Arbeitsplatz zu finden. Arbeit ist im Leben eines jeden Menschen ein wichtiger Bestandteil. Die bedeutenden Elemente gesellschaftlicher Teilhabe wie Einkommen, soziales Ansehen, Kontakte, Einfluss und Anerkennung werden über berufliche Leistungen vermittelt. Die BewohnerInnen, die einer Erwerbsarbeit nachgingen, waren i.d.R. psychisch stabiler und zufriedener als andere. Problematisch war/ist es dagegen, die Motivation derjenigen BewohnerInnen aufrechtzuerhalten, die in Werkstätten für Behinderte arbeiten. Neben monotonen Arbeitsabläufen und Kon­flikten unter den MitarbeiterInnen beklagen sie sich über die niedrige Entlohnung. Einzig aufgrund fehlender Alternativen werden diese Beschäftigungsverhältnisse aufrechterhalten. Behinderte Menschen erleben hier - wie in anderen Lebensbereichen auch - eine weitere Form der Ausgrenzung. Aufgrund der wenigen Arbeitsmöglichkeiten leben viele BewohnerInnen über weite Strecken ohne geregelten Tagesablauf, und es gibt keine lückenlose Tagesstrukturierung. Sie müssen lernen, ihren Alltag sinnvoll zu gestalten. Dies ist ein zentraler Punkt unserer Arbeit. Die BewohnerInnen werden bei allen Bestrebungen, ihren Handlungsspielraum zunehmend zu erweitern, in dem Maße unterstützt, wie es ihren individuellen Bedürfnissen entspricht.

 

Finanzielle Situation der BewohnerInnen

olgende Änderungen haben stattgefunden: zwei Sozialhilfeempfänger erhalten heute Bafög bzw. Leistungen aus einer Unfallversicherung, ein Empfänger von hat heute sein eigenes Einkommen, zwei Empfänger von Krankengeld erhalten letzt Erwerbsunfähigkeitsrente. Die Mehrzahl der BewohnerInnen ist auf Hilfe zum Lebensunterhalt (HzL) angewiesen. Diejenigen, die in einer WfB beschäftigt sind, müssen ergänzende Sozialhilfe beantragen, da das monatliche Entgelt nicht ausreicht. In 20 Fällen ist HzL und ergänzende Sozialhilfe zum Aufnahmedatum beantragt worden. Darüber hinaus sind Anträge auf Erwerbsunfähigkeitsrente, Kindergeld, ergänzende Hilfe zum Lebensunterhalt, Wohngeld, Bafög etc. gestellt worden. Alle BewohnerInnen müssen mit Einzug in die WTG für Miete und Lebensunterhalt selbst aufkommen, es gibt keine Gemeinschaftsverpflegung. Bei fehlendem oder lückenhaftem Hausrat, wie Geschirr, Bettwäsche etc. werden die entsprechenden Gegenstände leihweise zur Verfügung gestellt. Die Mehrzahl der BewohnerInnen hat zum Zeitpunkt des Einzuges erstmalig im Leben eigenes Geld zur Verfügung und einen Haushalt zu versorgen. Sie müssen lernen mit dem Existenzminimum zurechtzukommen. Das bedeutet, dass intensive Hilfestellungen beim Umgang mit Geld und damit verbunden für eine funktionierende Haushaltsführung erforderlich sind. In der Praxis erhalten die Betroffenen Unterstützung, Hilfestellung und Begleitung Trotz Einschränkungen und Einsparungen bildet die Selbstbestimmung über die eigenen Finanzen eine Basis für Eigenständigkeit und erhöhtes Selbstwertgefühl. Darüber hinaus ist festzustellen, dass der Handlungszwang, d.h. die reale Situation, selbst für Einkäufe, Kochen, Putzen etc. zuständig zu sein, die Lernbereitschaft und die Lernfähigkeit bestimmt und erhöht.

Wohnsituation nach Auszug

Wie bereits erwähnt sind bis heute 29 Personen aus der WTG ausgezogen. Ihre aktuelle Wohnsituation stellt sich wie folgt dar: Sonstige: Ein Bewohner musste aufgrund einer Alkoholkrankheit die WTG verlassen und für einen längeren Zeitraum im WZfPPP stationär behandelt werden, ein Bewohner musste den Aufenthalt wegen seiner Alkoholkrankheit und damit verbundenen unüberwindbaren Schwierigkeiten beenden. Nach sechs Wochen in der Übernachtungsstelle für Obdachlose, während dessen eine weitere Betreuung von Seiten der WTG bestand1 konnte er eine behindertengerechte Wohnung beziehen. Eine Bewohnerin ist unbekannt verzogen. Von den 22 Personen, die bis heute eigene Wohnungen bezogen haben, sind 15 in behindertengerecht ausgestattete Wohnungen und drei in behindertenfreundliche Wohnungen gezogen. Vier Personen waren nicht auf eine behindertengerechte oder -freundliche Wohnung angewiesen. Im Durchschnitt musste ca. 14 Monate auf eine behindertengerechte Wohnung gewartet werden. Heute werden mehr behindertengerechte Wohnungen gebaut als zuvor. Wohnungen für Einzelpersonen finden dabei wenig Berücksichtigung. Personen, die in der WTG leben, suchen i.d.R. Wohnraum für sich allein und müssen entsprechend Wartezeiten in Kauf nehmen. Drei Personen haben Wohnungen in anderen Städten bezogen.Die Tatsache, dass 22 Menschen von der WTG aus eigene Wohnungen bezogen haben, kann als sichtbares und erfolgreiches Ergebnis der Arbeit betrachtet werden. Entscheidend bzw. wesentlich sind aber vor allem die Entwicklungsprozesse der BewohnerInnen, die z.B. in der Erweiterung der Handlungskompetenzen zum Ausdruck kommen. Durch das Ausprobieren und Sammeln vieler neuer Erfahrungen wird mehr Selbstvertrauen und Selbstbewusstsein gewonnen. Die Entwicklung eines stabilen Selbstwertgefühls ist ein wichtiger Schritt für den weiteren Weg. Der überwiegende Teil der Jungen Menschen verlässt die WTG mit einem guten und­ sicherem Gefühl und traut sich das selbständige Wohnen nicht nur zu, sondern freut sich auf diese Veränderung.

Kontakte, Hilfestellungen nach Auszug aus der WTG

Zu 22 der insgesamt 29 ausgezogenen Personen bestehen Kontakte in Form von Besuchen, Gesprächen, Beratung und Teilnahme an Freizeiten. Je länger die Menschen in den eigenen Wohnungen leben, desto geringer werden die Besuche und Kontakte.

In den Wohnungen erhalten die Personen Hilfestellungen in Form von:


Tabel of Contens

4. Hilfsangebote

Bei der Aufnahme wird ein umfangreiches Hilfsangebot zur Verfügung gestellt, da in der Regel eine Vielzahl wichtiger Dinge (gleichzeitig) zu erledigen ist. Neben der völligen Umstellung auf die neue und ungewohnte Lebens- und Wohnsituation, dem Kennen lernen der MitarbeiterInnen und der Organisation der WTG, steht die Klärung der finanziellen/materiellen Situation im Vordergrund. Antragstellungen bei Sozialämtern, Pflegekassen, Versorgungsämtern, BfA, LVA etc. sind erforderlich, da viele BewohnerInnen zum Zeitpunkt der Aufnahme mittellos sind. Die Erfahrung hat gezeigt, dass oftmals mehrere Monate von der Antragstellung bis zur Bewilligung vergehen. Zur Überbrückung werden Vorschüsse (zinslose Darlehen) zur Verfügung gestellt. Für die medizinische Versorgung werden Pflegedienste beauftragt sowie ÄrztInnen, Krankengym­nastInnen, LogopädInnen etc. in der näheren Umgebung gesucht. Oft müssen Hilfsmittel wie höhenverstellbare Betten, spezielle Matratzen, Lifter, Duschstühle u.ä. angeschafft werden.Nach Erledigung dieser Aufgaben entscheiden die Betroffenen selbst, ob weitere Gespräche regelmäßig oder bei Bedarf stattfinden sollen. Die sozialarbeiterischen Hilfestellungen werden überwiegend in Form von Einzelgesprächen angeboten, wobei sich alles Handeln an den Wünschen, Bedürfnissen, Fähigkeiten und Interessen der einzelnen Klienten orientiert. Die Mehrzahl wünscht weitere Einzelgespräche i.d.R. einmal wöchentlich. Neben der Beratung, Information und Hilfe im sozialrechtlichen Bereich (SGB, BSHG, AFG, SchwbG etc.) sind die Themen oft lebenspraktischer und psychosozialer Art: Individuelle Bedürfnisse und Wünsche hinsichtlich ihrer Wohn- und Alltagssituation sollen die BewohnerInnen selbst erkennen und aufzeigen. Unterstützend und beratend wird bei Bedarf in diesen Prozess eingegriffen.

Die betreuungspflegerischen Hilfen umfassen je nach Einzelfall und Notwendigkeit sämtliche Hilfestellungen

Die Durchführung der pflegerischen Tätigkeiten unterliegt der Fachaufsicht der Pflegedienstleitung der BDP - Sozialen Dienste gGmbh. In den ersten Wochen ist eine intensive Begleitung außer Haus wichtig. In dieser Orientierungsphase werden Arztpraxen, Krankengymnasten, Banken, Geschäfte etc. erkundet bzw. ausgewählt. Jeweils eine Betreuungskraft ist Ansprechpartnerin für einem Bewohner/in und damit verantwortlich für den Informationsaustausch zwischen BewohnerInnen, Mitarbeiterinnen und Leiterin. Die Zuständigkeiten werden in Absprache mit BewohnerInnen und Betreuungskräften festgelegt. Neben den o.g. Hilfen übernehmen die Betreuungskräfte die Begleitung zu Ämtern, Ärzten, Banken etc. und helfen bei organisatorischen Schwierigkeiten (Schriftverkehr sortieren, Ordner anlegen u.ä.). Darüber hinaus können sie auch Bezugsperson für persönliche Belange sein. Für alle Mitarbeiterinnen steht die Berücksichtigung der individuellen Bedürfnisse und Wünsche der BewohnerInnen im Vordergrund. Die betreuerischen und sozialarbeiterischen Hilfen sind eng aufeinander abgestimmt.

Die WTG unterstützt, fördert und ermutigt die BewohnerInnen vor allem darin

 

Freizeitangebot

Da die Aufenthaltsdauer in der WTG begrenzt ist und das Erlernen von eigenverantwortlichem und selbständigem Leben im Vordergrund steht, sind Gemeinschaftsaktionen und Veranstaltungen offene Angebote. Folgende Freizeitaktivitäten gibt es im und am Haus, die spontan oder geplant durchgeführt werden können: Des weiteren werden Besuche von kulturellen Ver­anstaltungen in der Stadt, im Westfalenpark etc., Theater- und Kinobesuche, Musikfestivals, Spaziergänge im Fredenbaumpark, Restaurant-, Cafe- und Gaststättenbesuche wahrgenommen bis hin zur individuellen Planung und Durchfüh­rung von Tagesausflügen in andere Städte.Der BDP Kreis verband Dortmund führt regelmäßig Urlaubsfahrten mit behinderten und nicht-behinderten Jugendlichen und jungen Erwachsenen durch. Die BewohnerInnen der WTG kön­nen bei Interesse an diesen Reisen teilnehmen.

Sonstige Angebote:

Ziel ist, dass körperlich und/oder geistig beein­trächtigte Menschen soziale Kontakte knüpfen können, um z.b. gemeinsam Freizeitaktivitäten durchzuführen oder Menschen zu finden, mit denen sie gemeinsam eine Wohnung beziehen möchten.

 

Tabel of Contens

5. Organisationsformen in der WTG

Mit diesen Treffen soll die Eigeninitiative der TeilnehmerInnen gefördert und darüber hinaus die Möglichkeit geboten werden, die eigene Isolation zu durchbrechen.

alle BewohnerInnen und LeiterIn. Teilnahme von Betreuungskräften bei Bedarf bzw. in Absprache.

Diese kontinuierlich stattfindenden Gespräche sind darüber hinaus förderlich für den Austausch und Vergleich persönlicher Erfahrungen.

Kostenträger

Für die 36 Personen, die in der WTG wohnen/ wohnten, sind folgende Kostenträger in Anspruch genommen worden:

Betriebswirtschaftliche Situation

Die Auslastung betrug:

Die durchschnittliche Auslastung lag bei 91,90 %. Die Differenz zwischen dem Tagessatz, der eine 85%ige Auslastung zugrunde legt, und der tatsächlichen Belegung, wurde für die Kostensteigerungen im Personal bereich während der letzten fünf Jahre benötigt. Der Tagessatz wurde seit 1993 nicht den laufenden Kostensteigerungen angepasst.

Personelle Ausstattung

Die personelle Ausstattung beträgt zum 31. Dezember 1997 rechnerisch 10 Vollzeitstellen. Die Beschäftigung von TeilzeitmitarbeiterInnen und Aushilfen ist organisatorisch unabdingbar, da in allen Arbeitsschichten mehrere MitarbeiterInnen gleichzeitig zur Verfügung stehen müssen. Je nach anfallendem Hilfebedarf werden die MitarbeiterInnen eingesetzt. Die Arbeit erfolgt im Schichtdienst und schließt Sonn- und Feiertage ein, so dass eine umfassende Betreuung jederzeit sichergestellt ist. Auf ein ausgewogenes Verhältnis zwischen weiblichen und männlichen MitarbeiterInnen wird geachtet.Die personelle Fluktuation ist sehr gering, so dass Betreuungskräfte als AnsprechpartnerInnen oder Bezugspersonen kontinuierlich zur Verfügung stehen.

Praktika

In der Zeit von Januar93 bis Dezember97 haben 32 StudentInnen im Rahmen ihres Studiums an der FH Dortmund, FB Sozialarbeit/Sozialpädagogik und Anna-Zillken-Schule ihre Praktika in der WTG absolviert. Drei SozialarbeiterInnen/SozialpädagogInnen absolvierten ihr Anerkennungsjahr in der WTG. 1993 absolvierten 12 PraktikantInnen ihre Grund-bzw. Blockpraktika beim BDP. Schwerpunkt der Praktika waren die ,,Dienstaggruppentreffen" (5. Seite 27 if. ,,Freizeitangebot“), die unter Anleitung vorbereitet, begleitet und nachbereitet wurden. Die relativ hohe Anzahl von PraktikantInnen war für diese Treffen unabdingbar; da sie nicht nur die Organisation und Durchführung übernahmen, sondern auch Hilfestellungen leisteten, z.b. Rollstuhlfahrer schoben bei Aktivitäten außer Haus. Im Frühjahr 1994 musste dieses Angebot gestrichen werden, da nicht mehr ausreichend PraktikantInnen zur Verfügung standen. Das Kennenlernen der WTG war 1993 eher ein ,,Reinschnuppern" in die Arbeit, die sich seinerzeit im Aufbau befand. Von 1994 bis 1997 absolvierten 14 PraktikantInnen ihr Grund- oder Blockpraktikum in der WTG. Die unterschiedlichen Erfahrungen im sozialpflegerischen und -pädagogischen sowie im verwaltungstechnischen Bereich, die in diesem Projekt gesammelt werden können, gewähren den Studentinnen wichtige Einblicke in die unterschiedlichen Formen der sozialen Arbeit. Großes Interesse besteht/bestand auch deswegen, da es sich bei der WJG um eine Modelleinrichtung handelt und ein neues Projekt in der sozialen Arbeit bundesweit ist. Sechs Studentinnen leisteten im Rahmen ihres Studiums an der FH Dortmund für Sozialarbeit ihre PTS-Praktika (Praxis-Theorie-Semester-Praktika) in der WTG. Diese Praktika dauern ein Jahr, wobei die Studentinnen einen Tag in der Woche in der Einrichtung arbeiten.

6. Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen

Die Zusammenarbeit mit anderen Einrichtungen und Berufsgruppen besteht heute zu fol

genden Institutionen:

 


7. Beurteilung und Ausblick

Der Verbleib des Einzelnen in der ,,WTG ist nicht auf Langfristigkeit ausgerichtet, sondern soll innerhalb eines begrenzten Zeitraumes die Unabhängigkeit von institutioneller Versorgung herbeiführen, indem sie den BewohnerInnen Hilfe zur Selbsthilfe und damit einhergehend Unterstüt­zung bei der Führung eines selbstbestimmten Lebens anbietet. Die Rahmenbedingungen der WTG bieten einerseits Sicherheit, Schutz und Unterstützung und gewähren andererseits Freiräume, die notwendig sind zum Ausprobieren und Austesten der eigenen Möglichkeiten und Grenzen. Diese Kombination ist für viele Betroffene notwendig, hilfreich und sinnvoll, um individuelle Entwicklungsprozesse durchlaufen zu können. Ebenfalls von großer Bedeutung ist, dass eine professionelle, pädagogische Zielsetzung, in der aus anderen Einrichtungen bekannten Weise, nicht derart präsent ist (ihnen wird nicht immer über die Schulter geschaut), so dass mehr ,,normaler" Alltag gelebt und ausprobiert werden kann. Die Beziehung zwischen BewohnerInnen und Mitarbeiterinnen basiert nicht auf dem oft erlebten Machtgefälle zwischen Helfenden und Hilfsbedürftigen, sondern in erster Linie auf Gleichrangigkeit. Zusammenfassend und schlußfolgernd läßt sich sagen, dass jene behinderten Menschen die WTG in Anspruch nehmen, die vom Elternhaus oder Freundeskreis nicht die Unterstützung erfahren, die sie für ein selbständiges und selbstbestimmtes Leben in der eigenen Wohnung benötigen Selbständigkeit ist nach wie vor ein zu wenig beachteter Faktor in der Erziehung und Sozialisation von körperlich und geistig beeinträchtigten Menschen. Das Aufwachsen in ,,Sonderwelten" bringt einen Teil unserer Gesellschaft um den Erwerb wichtiger Handlungskompetenzen, die als Voraussetzung für ein selbstbestimmtes Leben und Wohnen notwendig sind. In der WTG steht die Förderung und Unterstützung selbständigen Handelns im Vordergrund. Ebenfalls werden Informationen über selbstorganisierte Assistenz, ambulante Dienste, benötigte Anträge, Finanzierung etc. gegeben, die oftmals völlig unbekannt sind. Die WTG als Übergangsform ist eine Möglichkeit auf dem Weg zu einem selbstbestimmten und selbständigen Leben. Solange behinderte Menschen überwiegend im Elternhaus oder in institutionellen Einrichtungen wohnen, ist die WTG eine sinnvolle Alternative für diejenigen, die erst Erfahrungen mit ambulanter Unterstützung und eigenständigem Leben sammeln möchten, bevor sie sich ein Leben allein" zutrauen. Die Erziehung zur Selbständigkeit ist eine wesentliche Bedingung dafür, dass ein Mensch mit einer oder mehreren Funktionsbeeinträchtigungen dasjenige Selbstwertgefühl und diejenige Autonomie entwickelt, die er für die soziale Auseinandersetzung mit anderen benötigt und die notwendig ist, um von den anderen sozial akzeptiert zu werden, sich zugehörig zu fühlen. Hält man sich vor Augen, dass der überwiegende Teil (ca. 60 %), der seit der frühen Kindheit kör­perlich eingeschränkten jungen Erwachsenen so lange bei den Eltern wohnt, bis diese die Hilfestellung wegen Überlastung und/oder aus Altersgründen nicht mehr leisten können, zeigt sich die Relevanz einer Wohnform wie der WTG, in der die BewohnerInnen Handlungskompetenzen erwerben können, die sie dazu befähigen, Abhängigkeiten zu mindern und ihren Alltag selbstbestimmt zu gestalten (vgl. Edgar Kösler, Rehabiliert.. und dann?,5 120ff.) Daneben ist zu beobachten, dass die WTG als Übergangsform auch den Ablösungsprozeß der Eltern von ihren ~Kindern" erleichtert. Erwachsene, die nach Unfall oder Krankheit körperlich beeinträchtigt sind, haben die Möglichkeit, übergangsweise in der WTG zu wohnen, bis eine adäquate Wohnung bezogen werden kann, eine andere Wohnform gefunden wird bzw. der behindertengerechte Umbau der bereits vorhan­denen Wohnung abgeschlossen ist. Häufig werden die Probleme und Schwierigkeiten erst bewusst wahrgenommen, wenn die Klinik verlassen und der Alltag bewältigt werden muss. Die Anleitung von Betreuungskräften muss erlernt werden, insbesondere die Wahrnehmung und Äußerung der eigenen Bedürfnisse. Das Wissen über rechtliche Möglichkeiten fehlt. Erfahrungen im Umgang mit Behörden sind i.d.R. kaum vorhanden, Rentenanträge, Anträge auf Pflegeleistungen etc. Völlig neu. Die Personen, die die WTG nach der Entlassung aus Reha-Kliniken oder Krankenhäusern beziehen, nutzen die Hilfsangebote, um sich mit fachlicher Unterstützung und Hilfe auf die veränderten Alltagsbedingungen einzustellen. Die Situation im Bereich der ambulanten Versorgung verschärft sich von Jahr zu Jahr. Die Einführung des SGB XI und die damit verbundene Festlegung des Begriffs der ,,Pflegebedürftigkeit", die vom BSHG zwingend übernommen werden muss, hat eine deutliche Veränderung im Bereich der ambulanten Versorgung bewirkt. Die Gewährleistung umfassender, ganzheitlicher Hilfen, die beeinträchtigte Menschen in ihrer eigenen Wohnung den jeweiligen Bedürfnissen entsprechend benötigen, kann nicht mehr als selbstverständlich vorausgesetzt werden. Folgen sind Unsicherheit, zu wenig Hilfestellung, teilweise Verzögerung beim Bezug der Wohnung. Zur Umsetzung des SGB Xl und dessen Auswirkung auf die WTG kann an dieser Stelle noch keine aussagekräftige Bewertung getroffen werden, da diese Problematik erst ab dem 1. Juli 97 umfassend zum Tragen kommt und somit bisher keine Erfahrungen gesammelt werden konnten. Im BSHG heißt es in § 39 Abs. 1 ,,Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch behindert sind, ist Eingliederungshilfe zu gewähren." In Absatz 3 folgt: ,Aufgabe der Eingliederungshilfe ist es, eine .... vorhandene Behinderung oder deren Folgen zu beseitigen oder zu mildern und den Behinderten in die Gesellschaft einzugliedern. Hierzu gehört vor allem, dem Behinderten die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen oder zu erleichtern, ihm die Ausübung eines angemessenen Berufs oder einer sonstigen angemessenen Tätigkeit zu ermöglichen oder ihn soweit wie möglich unab­hängig von Pflege zu machen". Die ersten fünf Jahre Arbeit in der WTG haben deutlich gemacht, dass Menschen mit körperlichen, geistigen und/oder seelischen Beeinträchtigungen in der Lage sind - unabhängig von der Art der Behinderung - eine eigenständige Lebensführung zu erlernen, um soweit wie möglich von persönlichen Hilfen unabhängig zu werden. Auffallend ist, dass die Gruppe der lern- und geistig behinderten Menschen vor Aufnahme in die WTG in Heimen gelebt hat oder eine Heimaufnahme von Angehörigen angestrebt wurde, die die Betroffenen ablehnten. Aufgrund fehlender Erfahrungen kann die Mehrzahl der BewohnerInnen, die von Kindheit/Geburt an behindert ist, bei Einzug in die WTG nicht beurteilen, wie sie langfristig leben möchte, welche individuellen Entwicklungen durch intensive Förderung möglich sind und wie viel Unabhängigkeit und Selbständigkeit sie sich zutrauen können. Die WTG bietet diesen jungen Menschen die Möglichkeit des (Sich-) Kennenlernens, Ausprobierens und Erlernens einer selbständigen Lebensführung, um herausfinden zu können, was sie mit Übung und Training lernen und allein bewältigen können bzw. bei welchen Verrichtungen Hilfestellungen erforderlich sind. Mit entsprechender Unterstützung werden Perspektiven entwickelt, die den realen Bedürfnissen entsprechen. Anhand der Auswertung ist nochmals darauf hinzuweisen, dass die WTG keine Pflegeeinrichtung ist und insofern die Einstufung in eine Pflegestufe als Aufnahmekriterium keine Rolle spielen darf, damit weiterhin allen Menschen mit körperlichen, geistigen und/oder psychischen Beeinträchtigun­gen, die einen Aufenthalt wünschen und/oder aufgrund akuter Notlagen eine Unterbringung benötigen, die individuellen und lebenspraktischen Hilfsangebote zur Verfügung gestellt werden können.

8. Literatur


9. Im Text verwendete Abkürzungen:

©      BDP-Projektbereich Behindertenarbeit e.V., Dortmund BDP Soziale Dienste gGmbH, Dortmund